Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung / Seite 111

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Dieses System ist gescheitert, dieses System muss scheitern, und es gibt nur eine Al­ternative: die Verabschiedung von Dublin und ein faires System, in dem alle Staaten in Europa ihre Verantwortung für Flucht und Flüchtlinge übernehmen. (Beifall bei den Grü­nen sowie der Abgeordneten Grossmann und Scherak.)

Letzter Punkt: Wer bereit ist, sich ein bisschen mit der Situation und der Fluchtbewe­gung auseinanderzusetzen, der soll – und da bin ich ganz bei Vizekanzler Mitterlehner im Zusammenhang mit der Fluchtbewegung aus Syrien – nicht mehr den Begriff „Wirt­schaftsflüchtlinge“ verwenden. Diejenigen, die jetzt kommen, das sind Menschen, die Syrien verlassen, um vor der Folter Assads zu flüchten, vor dem Terror des IS. Das sind Personen, die in Syrien teilweise zur Mittelschicht gehört haben, die dort ihr Haus verkaufen, um irgendwie sicher nach Europa zu kommen, weil sie dort kein sicheres Le­ben mehr haben.

Zweiter Mythos: Es kommen immer nur die alleinstehenden Männer. Klar, ein alleinste­hender Mann ist, relativ gesehen, mobiler als eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Es ist daher wenig überraschend, dass in den ersten Monaten der Fluchtbewegung mehr alleinstehende Männer gekommen sind.

Wer jetzt in die Züge schaut, Ungarn, Hauptbahnhof Wien, der sieht Familien, der sieht Kinder. Wer jetzt nach Traiskirchen schaut, und das wird die Frau Innenministerin be­stätigen, der sieht unbegleitete Minderjährige, die alleine geflohen sind. Es ist einfach eine dreiste Legende, jene, die flüchten, würden in Syrien ihre Familien im Stich las­sen. (Abg. Darmann: Es gibt Interviews dieser Flüchtlinge!)

Meine Damen und Herren, schreiben wir Geschichte, jeder für uns einen kleinen Zen­timeter, einen kleinen Beitrag!

Schreiben wir die Geschichte einer humanitären Meisterleistung, so wie sie in der Tra­dition Europas stehen sollte! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Scherak.)

14.25


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerstl zu Wort. – Bitte.

 


14.25.15

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Wir stehen heute vor einer Situation, die wir uns alle, glaube ich, vor wenigen Jahren noch nicht erwartet haben (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ach so?), auch wenn gerade die Innenministerin vor einem Jahr darauf aufmerksam gemacht hat.

Es war die Innenministerin, die schon vor einem Jahr in der Europäischen Union den Vorschlag gemacht hat, das Projekt Save Lives zu installieren, weil sie erkannt hat, dass wir vor einer neuen Flüchtlingswelle stehen, einer Flüchtlingswelle, wie sie die Ge­schichte des 20. Jahrhunderts noch nicht gehabt hat. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wir sind schon im 21. Jahrhundert!) Wir zählen weltweit rund 60 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind, das sind mehr, als im Zweiten Weltkrieg auf der Flucht waren.

Niemand verlässt gerne sein Land, wenn er in diesem Land die Voraussetzungen fin­det, die ihm ein unabhängiges, ein sicheres Leben ermöglichen. Es ist verständlich, dass, wenn das Risiko, auf der Flucht verletzt zu werden oder vielleicht auch den Tod zu finden, geringer ist, als zu Hause im Heimatland zu sterben, wahrscheinlich auch jeder von uns diese Möglichkeit in Anspruch nehmen und sagen würde: Ich begebe mich auf die Flucht. (Abg. Darmann: Wer hätte Österreich aufgebaut, wenn alle geflohen wären?)

Es war die Innenministerin, die gesagt hat, wir müssen uns darauf vorbereiten. Wir müssen zu einer neuen Form der Zusammenarbeit kommen. Dazu muss ich als Ver­fassungsrechtler sagen – weil ich ja auch als Verfassungssprecher heute hier stehe und


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