Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 115

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Lichte dessen sehen muss. Das hat es in der Zweiten Republik noch nicht gegeben (Ruf bei der FPÖ: Dass die Bundesregierung so versagt hat!), dass innerhalb eines Mo­nats über 100 000 Menschen die österreichische Grenze passiert und sie in wenigen Stunden wieder verlassen haben. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es nicht gegeben, dass über 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind.

Dass Regelungen, die wir derzeit haben, nicht darauf eingestellt sind, glaube ich, ver­steht sich von selbst. Niemand konnte eine solche Situation in diesem Ausmaß vor­hersehen, auch wenn die Innenministerin schon vor einem Jahr darauf hingewiesen hat, dass wir vor einer neuen Völkerwanderung stehen, meine Damen und Herren. (Abg. Lugar: … nicht vorhersehen?! – Ruf bei der FPÖ: Das ist ein Widerspruch!)

Meine Damen und Herren, ich erinnere an den Kollegen Strache, der hier gesagt hat, als wir noch im Sommer diskutiert haben, als die Zelte da waren: Die Bundesregierung schafft es nicht. – Jetzt schaffen wir eine Lösung (Abg. Darmann: Welche denn?), wir schaffen eine Lösung, die ermöglicht, dass niemand mehr obdachlos sein muss, die er­möglicht, dass jeder ein Dach über dem Kopf hat, bevor der Winter Einzug hält.

Meine Damen und Herren, das ist eigentlich das, was Sie von uns allen, die wir hier Verantwortung tragen, gefordert haben. Aber nicht nur wir Regierungsparteien tragen Verantwortung, das gesamte Parlament trägt die Verantwortung. Und insofern möchte ich mich heute auch bei allen, die hier diesem Gesetz zustimmen, bedanken, weil sie auf die Krisensituation eingehen und sagen: Es bedarf neuer Lösungen. Daher wollen wir heute ein Verfassungsgesetz beschließen, in dem sichergestellt wird, dass jeder, der in der Grundversorgung einen Platz braucht, Unterkunft bekommt.

Grundversorgung heißt – damit wir das auseinanderhalten –, in dieser Zeit wird ge­prüft, ob ein Asylgrund vorliegt oder nicht. Und wir befinden uns in einem Rechtsstaat, wo jeder Asylwerber bei uns auch ein Recht darauf hat, dass diese Verfahren durch­geführt werden. Wenn Sie dem die Unterkunft nicht zugestehen wollen, dann wider­sprechen Sie dem Rechtsstaat, widersprechen der Genfer Flüchtlingskonvention und widersprechen allen Maßnahmen, die sich Menschen in Wirklichkeit erwarten können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Das tut schon besonders weh!)

Wenn am Ende des Verfahrens feststeht, dass er Asyl bekommt, dann tritt erst die nächste Phase in Kraft. Wenn er kein Asyl bekommt, dann hat er dieses Land auch zu verlassen, und wie in der Vergangenheit werden die Menschen, denen kein Asyl zuge­standen wird, auch aus Österreich abgeschoben. (Abg. Walter Rosenkranz: Na geh!) Es ist nicht zu beurteilen, ob das positiv oder negativ ist, das ist eine Rechtsfolge, und ich möchte, dass wir das wirklich in Ruhe diskutieren, meine Damen und Herren.

Österreicherinnen und Österreicher haben in den letzten Wochen Großartiges geleis­tet. Ich glaube, es gilt im Rahmen dieser Debatte auch Danke zu sagen, Danke zu sa­gen an alle NGOs, an alle karitativen Organisationen und vor allem an die vielen Men­schen, die einfach von heute auf morgen, von einer Stunde auf die andere zum West­bahnhof gefahren sind, zum Hauptbahnhof, nach Nickelsdorf und in viele andere Orte und dort Hilfe geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

Es ist auch notwendig, Danke an die Polizei zu sagen, die in einem Ausmaß gearbeitet und unterstützt hat, dass ich gar keine Worte dafür finde. Die Polizei hat Außerordent­liches geleistet, und in den letzten Tagen dazu auch noch das österreichische Bundes­heer.

Meine Damen und Herren, damit schaffen wir eine Struktur, die uns im Spannungsfeld stets begleitet, das heißt, auf der einen Seite das Asylrecht, als universelles Menschen­recht, und auf der anderen Seite ein geordneter Verfassungsstaat. Wir müssen in un­serer Diskussion immer beides im Blickfeld haben. Wir müssen auf der einen Seite das


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