Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 215

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Jetzt ist es mehr als zwei Jahre später, und heute könnte natürlich ein guter Tag für die Weiterentwicklung der direkten Demokratie sein. Es sei jedem selbst überlassen, zu be­urteilen, ob es für ihn oder sie ein guter Tag ist; für mich ist es kein guter Tag.

Wir haben die Chance gehabt, schon damals und auch jetzt, oder hätten die Chance gehabt, hier wirklich eine gute Reform auf den Weg zu bringen, auf die Welt zu brin­gen, wenn Sie so wollen. Was aber passiert ist, ist, dass wir uns ein Jahr lang mit dem Thema Weiterentwicklung der Demokratie, was sowohl die direkte Demokratie als auch die parlamentarische Demokratie betrifft, beschäftigt haben, durchaus sehr intensiv, aber wenn ich Ihnen, Herr Kollege Wittmann, jetzt so zuhöre und auch in der letzten Sitzung der Enquete-Kommission zugehört habe, und auch Kollegen Gerstl, dann liegt mir eine klare Frage auf der Zunge, die Sie jetzt entweder rausrufen können oder nicht beantworten können: Was haben Sie eigentlich in diesem Jahr gelernt?

Mein Eindruck ist, alle Argumente, die Sie jetzt vorbringen, haben Sie vor einem Jahr schon vorgebracht. Das sind ja keine Argumente, die ich einfach so vom Tisch wischen will, aber in der Zwischenzeit hat es diesen Prozess gegeben, in dem wir sogar acht Bür­gerInnen die Möglichkeit gegeben haben, sich einzubringen, und in dem das Parlament auch erstmals gelernt hat, wie barrierefrei – jetzt nicht im Sinne von körperlichem Zu­gang – denn unsere Diskussionen und unsere Debatten für acht BürgerInnen, die am 26. Oktober 2014 ausgelost wurden, sind – und da muss man im Befund durchaus sa­gen: gar nicht so barrierefrei.

Diese BürgerInnen haben sich ganz intensiv eingebracht, die haben uns ganz kritisch rückgemeldet, wie sie sowohl den Prozess als auch das Ergebnis dieses Prozesses sehen, aber während der Enquete-Kommission hatte ich nicht den Eindruck, dass SPÖ und ÖVP auf der Suche nach den Antworten auf diese Fragen sind.

Jetzt kommen Sie wieder daher, und ich muss Ihnen sagen, dieses Argument mit dem Milliardär, der Parteien kauft – wir alle wissen, wer gemeint ist –, habe ich schon oft von Ihnen gehört. Ja, das ist ein Problem, aber das ist ja auch ein Problem für die De­mokratie insgesamt.

Viele Argumente, die genannt werden – die Menschen brauchen politische Bildung, die Menschen müssen ausreichend informiert werden, es muss Transparenz darüber herr­schen, wer denn eigentlich hinter diversen Vorhaben steht –, gelten doch nicht nur für die direkte Demokratie, die kann man 1 : 1 auf die parlamentarische Demokratie und da­mit auf Wahlen umlegen, und niemand hier wird doch wohl fordern, dass wir Wahlen abschaffen, oder? (Beifall bei den Grünen.)

Das heißt, alles, was Sie hier vorbringen, gilt für die Demokratie insgesamt. Ich bin auch überhaupt nicht der Meinung, dass wir die direkte Demokratie weiterentwickeln sol­len, weil es Politikverdrossenheit gibt, sondern weil ich es für eine Grundhaltung halte, dass der Souverän, die Bürgerinnen und Bürger – und ich fasse diesen Begriff durch­aus weit, nämlich nicht nur die österreichischen StaatsbürgerInnen, sondern Menschen, die in Österreich leben, die hier Steuern zahlen, auch die, die nicht Steuern zahlen, Menschen, die sich sozusagen in Österreich einbringen – auch die Möglichkeit haben sollen, politisch mitzuentscheiden.

Diese Frage ist eine demokratiepolitische Grundhaltung und keine Frage von Politik­verdrossenheit. Der muss man anders begegnen, nämlich mit wirklich fundierten Aus­einandersetzungen in Diskussionen, weit weg von dem oft parteipolitischen Hickhack, dem wir uns hier hingeben. Meine Überzeugung ist, dass direkte Demokratie beziehungs­weise die Weiterentwicklung von direkter Demokratie auch dazu beitragen würde.

Sie haben das im Rahmen dieser missglückten Volksbefragung betreffend Wehrmacht – pardon, ich korrigiere diesen Versprecher –, Wehrpflicht gesehen. Was ich da an qua­lifizierten Äußerungen von Menschen, die schon lange nicht mehr über Politik diskutie-


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