Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 220

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tionen durch die Vorlage eines sogenannten Demokratiepakets aus, das seinen Na­men nicht verdiente. Der Entwurf zur direkten Demokratie sah lediglich eine aufgewer­tete parlamentarische Behandlung von Volksbegehren vor. Weiters sollte die Online-Unterstützung von Volksbegehren und eine sogenannte „Bürgeranfrage“ ermöglicht wer­den.

Oppositioneller Kompromiss 2013

Um trotz dieser diametralen Auffassungsunterschiede – hier Forderung nach Volksge­setzgebung, da kein echter Ausbau der direkten Demokratie – zu einer Weiterentwick­lung der direkten Demokratie zu kommen, präsentierten die Oppositionsfraktionen (BZÖ, Grüne und FPÖ) im Mai 2013 einen oppositionellen Kompromiss in der Form ei­ner Punktation, der von der Parlamentsdirektion in einen Gesetzesentwurf gegossen wurde. Wesentlicher Inhalt: Wenn ein Volksbegehren (in Form eines Gesetzesent­wurfs) von 4 % der Wahlberechtigten unterstützt wird und der Nationalrat kein entspre­chendes Gesetz beschließt, muss zwingend eine Volksbefragung (über den vorgeleg­ten Gesetzestext) durchgeführt werden. Erstellt der Nationalrat einen Alternativentwurf, ist auch dieser der Volksbefragung zu unterziehen. Die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens können jedoch auf die Volksbefragung verzichten. Inhaltlichen Schranken werden nicht aufgestellt. Den Initiatorinnen und Initiatoren wie den Unterstützern und Unterstützerinnen wird jedoch insofern eine Hilfestellung gereicht, als von der Parla­mentsdirektion ein Rechtsgutachten erstellt wird, ob der Gesetzesentwurf mit den Grund- und Menschenrechten sowie mit den unionsrechtlichen und völkerrechtlichen Vorgaben vereinbar ist oder ob rechtstechnische Unstimmigkeiten vorliegen. Wird der Gesetzesentwurf nicht zurückgezogen, ist ein „negatives“ Gutachten jedenfalls in der sogenannten Volksbefragungsbroschüre wiederzugeben. Diese verpflichtende Volks­befragungsbroschüre ist ein ganz wesentliches Instrument zur Hebung der sachlichen Auseinandersetzung vor der Volksbefragung. Sie muss die Standpunkte des Volksbe­gehrens, der zuständigen Regierungsmitglieder und der Parlamentsklubs objektiv dar­legen und ist allen Haushalten zuzuschicken.

Gesetzesentwurf 2013 (Kompromiss SPÖ, ÖVP, Grüne)

Im Juni 2013 schien schließlich eine Einigung greifbar, als SPÖ und ÖVP mit den Grü­nen einen Kompromiss schlossen, der zu einem gemeinsamen gesamtändernden Ab­änderungsantrag führte. Demnach sollte eine Volksbefragung durchgeführt werden, wenn ein Volksbegehren von 10 % (bzw. 15 % bei Verfassungsänderungen) der Wahl­berechtigten unterstützt wurde. Der Volksbefragung wurden inhaltlich und strukturell bedingte Grenzen gesetzt. Verstößt der vorgelegte Gesetzestext gegen Grundrechte, das EU- oder das Völkerrecht, ist eine Volksbefragung darüber ausgeschlossen. Dies wird nach einem Gutachten von der Bundeswahlbehörde entschieden. Die Initiatorin­nen und Initiatoren können jedoch den Verfassungsgerichtshof anrufen. Anders als beim oppositionellen Kompromiss liegt es nicht in den Händen der Initiatorinnen und Initiatoren auf eine Volksbefragung zu verzichten. Eine Volksbefragung hat immer dann stattzufinden, wenn der Nationalrat den Volksbegehrenstext nicht beschließt. Dieser Gesetzesentwurf wurde im Sommer 2013 einem Begutachtungsverfahren unterzogen.

Begutachtungsverfahren 2013

Im Zuge des Begutachtungsverfahrens sprachen sich nur wenige Stellen entschieden gegen den Ausbau der direkten Demokratie in Form des Gesetzesentwurfs aus, darun­ter allerdings die Präsidentschaftskanzlei, der Verwaltungsgerichtshof, die Industriel­lenvereinigung und der Gewerkschaftsbund. Mehr als doppelt so viele Stellen begrüß­ten den verfolgten Ansatz zum Ausbau der direkten Demokratie, entweder vollständig (z.B. Rechtsanwalts- und Notariatskammer) oder mit der Forderung nach weiteren Si­cherheitsmaßnahmen wie etwa zusätzlichen Themenverboten (insbesondere Oberös­terreich, Tirol und Vorarlberg). Einige zivilgesellschaftliche Organisationen wiesen auf


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