Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 226

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das Instrument andernfalls töten würde. Regierung und Parlamentsmehrheit hätten daher eine große Verantwortung, das Instrument überhaupt aufrechtzuerhalten, ohne dass der Sinn für die Bürger verloren gehe. Ebendieser Umstand bereitete auch Luif Bauchweh. Er erinnerte daran, dass Volksbegehren früher sehr intensiv unterstützt worden seien. Als man dann realisiert habe, dass das alles unverbindlich sei, sei die Beteiligung drastisch zurückgegangen. Negative Beispiele zu unverbindlichen Abstim­mungen finde man Schiller und Gross zufolge zudem in Skandinavien und Neuseeland.

Gross warnte ebenfalls vor der Unverbindlichkeit von Volksbefragungen. Die eigentli­che Macht der Volksinitiative sei das Wissen, dass diejenigen entscheiden, die hinge­hen, und dass alle eingeladen seien, hinzugehen. Das sei das, was die Dynamik der Diskussionsqualität entfache. Wenn man wisse, dass alle entscheiden, würden sich viel mehr Menschen die Mühe machen, andere zu überzeugen. Wenn man hingegen von vornherein sage, dass das Ergebnis unverbindlich sei, bekomme man nie diese Diskussionsdynamik und Beteiligung. Überdies würden sich die Leute dann doch wie­der nicht ernst genommen fühlen. Er warnte daher davor, mit einem Instrument zu spielen, das kaputtgehe, weil man nur damit spiele. Vospernik stand dem Volksbefra­gungsautomatismus ebenfalls skeptisch gegenüber. Wenn man die Volksbefragung ohnehin immer befolge, könne man gleich von einem Volksentscheid sprechen. Das wäre ja auch Werbung und man würde damit den Bürgerinnen und Bürgern auch zu verstehen geben, dass man sie ernst nehme. Halte man sich hingegen offen, ob man den Volksbefragungsentscheid befolge, stelle sich die Frage, warum die Leute dann überhaupt abstimmen sollten.

Befürwortung der dreistufigen Volksgesetzgebung

Nierth sah in dem Umstand, dass man Bürger zur Urne bitte und letztendlich dann doch das Parlament entscheide eine Bevormundung des Bürgers, Leitner sprach gar von einer „Besachwalterung“. Außerdem würde Nierth zufolge das Parlament in eine Auseinandersetzung geraten, wenn eine Befragung etwa 52:48 ausgehe und die Koa­litionspartner unterschiedlicher Meinung seien. Sie plädierte daher für verbindliche Volks­abstimmungen auf Augenhöhe mit dem Parlament. Abstimmungsergebnisse könne man ja auch jederzeit wieder ändern, das sei in Deutschland mehrmals passiert. Auch Schuster sah in Volksbefragungen ein eigentlich undemokratisches Instrument. Das Volk sei nach unserer Verfassung der Souverän und man könne den Souverän eigent­lich nicht unverbindlich befragen. Außerdem würde eine Volksbefragung das Parlament fast dazu nötigen, etwas, wozu es sich schon einmal negativ geäußert habe, nach ei­ner anderslautenden Volksbefragung anders zu entscheiden. Er fordert daher, ebenso wie Mayer und Nierth, die dreistufige Volksgesetzgebung, die am Ende eine verbind­liche Entscheidung vorsehe.

1.3.2 Wozu sollen Volksabstimmungen bzw. Volksbefragungen abgehalten werden kön­nen?

Gesetzestexte und Staatsverträge

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist für viele Expertinnen und Experten eine weitge­hende Gleichstellung von Parlament und Bevölkerung anzustreben. Denn gemäß Art 1 B-VG sei Österreich eine demokratische Republik, deren Recht vom Volk ausgehe. Alle Rechtsakte, an denen die österreichische Bundesregierung und das österreichi­sche Parlament beteiligt seien, sollten daher auch für direktdemokratische Instrumente offen sein. Gewessler und Fürst zufolge sollte daher auch der Abschluss oder die Kün­digung eines Staatsvertrages Gegenstand einer Volksabstimmung bzw. Volksbefra­gung sein können.

Themenverbote – ja oder nein?

Viele Expertinnen und Experten sprachen sich aber auch für mehr oder weniger weit­gehende Themenverbote aus. Decker betonte, dass diese jedenfalls so ausgestaltet


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