Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 231

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mäß Giese sei Zweck von Beteiligungsquoren grundsätzlich sicherzustellen, dass eine breite Mehrheit der Stimmberechtigten entscheide. Bei Volksbefragungen seien Beteili­gungsquoren hingegen nicht erforderlich. Hinter Beteiligungsquoren steht die Befürch­tung, dass bei einer niedrigen Beteiligung kein repräsentatives Ergebnis erzielt werden kann. Hesse und Rosenmayr-Klemenz fürchteten etwa, dass dann ein sehr kleiner Aus­schnitt aus der Bevölkerung die Gesetzgebung in Österreich bestimmen könnte, oder Verfassungsänderungen erwirken könnte.

Weit mehr Expertinnen und Experten sprachen sich hingegen gegen Beteiligungsquo­ren aus. Vospernik wies darauf hin, dass Beteiligungsquoren in der Literatur sehr kri­tisch beleuchtet würden, da sie die Gegner der jeweiligen Vorlage privilegieren würden. Sie könnten aufrufen, zu Hause zu bleiben und sich dadurch die Stimmen jener Bür­gerinnen und Bürger sichern, die ohnehin nie zu Wahlen gingen. Nierth warnte, dass dies das eigentliche Abstimmungsergebnis verfälsche und entwerte. Beteiligungsquo­ren seien daher wenig zielführende Maßnahmen zur Erhöhung der demokratischen Qualität von Volksabstimmungen, stellte Luif fest, sondern würden sogar eher das Ge­genteil bewirken. Darüber hinaus seien auch bei niedriger Stimmbeteiligung die partei­politischen Kräfteverhältnisse im Großen und Ganzen abgebildet, so Vospernik.

Erachtet man Beteiligungsquoren dennoch für notwendig, sollten diese laut Nierth bei etwa 20 % liegen. Schiller warnte, dass 25 % oder mehr einen Erfolg im Volksent­scheid kaum erreichbar machen würden. Vospernik hielt flexible Beteiligungsquoren für möglich, die sich an der Wahlbeteiligung orientieren würden. Giese konnte sich vor­stellen, niedrige Beteiligungsquoren mit höheren Zustimmungsquoren zu kombinieren. Bei Verfassungsänderungen hielt Nierth etwa 33 % in Kombination mit einem Zustim­mungsquorum von einer Zweidrittelmehrheit für durchaus gerechtfertigt.

Giese berichtete, dass es auf Gemeindeebene nur vereinzelt Beteiligungsquoren bei Volksabstimmungen gebe. In Oberösterreich würden sie 25 %, im Burgenland 40 % und in Wien 50 % der Wahlberechtigten betragen. Vospernik schilderte, dass viele Staaten in Europa ein starres Beteiligungsquorum von 50 % vorsehen würden, das in der Literatur sehr kritisch beleuchtet werde. Schiller erklärte, dass in den meisten deut­schen Bundesländern ein hohes Zustimmungsquorum, 25 % oder mehr, bestehe, was den Erfolg im Volksentscheid kaum erreichbar mache. In Slowenien gebe es hingegen kein Beteiligungsquorum, erläuterte Grotz. In Kroatien, der Schweiz und den USA gebe es überhaupt keine Quoren, berichteten Gross und Vospernik.

Wechselbeziehung der beiden Phasen

Zwischen der Phase des Volksbegehrens und der Phase der Volksabstimmung besteht Decker zufolge eine Wechselbeziehung. Gemäß dem „Kieler Modell“ könne man etwa niedrige Unterstützungsschwellen und lange Eintragungsfristen in der ersten Phase mit einem vergleichsweise hohen Zustimmungsquorum bei der Volksabstimmung verbin­den. Man könne aber auch hohe Unterstützungsschwellen und kurze Fristen in der ersten Phase mit einem niedrigen oder gar keinen Zustimmungsquorum verbinden. Für niedrige Hürden in der ersten Phase spreche die nützliche Agenda-Setting-Funktion der Initiativen, ihre Kehrseite liege in der Missbrauchsgefahr und dass sie die Gegner einer Vorlage anhalten würden, der Abstimmung fernzubleiben. Wenn man Vor- und Nachteile gegeneinander abwäge, spreche mehr dafür, die Quoren bei der Volksab­stimmung abzusenken und beim Volksbegehren zu erhöhen. Schiller zufolge ist eine praktische Nutzung direktdemokratischer Instrumente hingegen nur bei relativ niedri­gen Hürden möglich. Dazu bedürfe es einer Kombination aus einer relativ niedrigen Unterstützungsschwelle (5 bis 7 %) und einer Eintragungsfrist von wenigsten zwei bis drei Monaten. Ein günstiges Praxisergebnis erziele man aber trotz hoher Unterstüt­zungsschwelle von 10 % in Bayern, da es kein Zustimmungsquorum gebe und die Mehr­heit entscheide.

 


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