Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 35

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Kollege Kickl ist jetzt schon wieder weg, aber ich hätte ihm noch gerne ein paar Fragen gestellt. Es ist wirklich erstaunlich, wie herabwürdigend, wie brutal und wie aggressiv man so einer ernsten Frage – und die Fragen von Kriegsflüchtlingen, von Flüchtlingen generell, das sind ernste Fragen! – begegnen kann.

Mich verblüfft das, und irgendwie denke ich mir: Es muss ja in ihrer Familie auch noch Menschen geben, die vielleicht irgendwas dazu erzählen können, was Krieg oder Frieden bedeutet. Die gibt es sicher. Fragen Sie einmal nach!

Europa hat dieses Gedächtnis. Wir wissen, was es bedeutet, einen Eisernen Vorhang durchs Land gezogen zu haben. Wir wissen in diesem Kontinent, was Krieg bedeutet. Auch deswegen ist es so erstaunlich, dass dies an Ihnen offensichtlich vollkommen spurlos vorübergegangen ist. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Wir stehen jetzt vor einer Entscheidung. Es ist eine Entscheidungsfrage für die Europäische Union, für ihre Mitgliedstaaten, aber auch für Österreich, wie man diese große Herausforderung angeht. Dabei haben wir mehrere Möglichkeiten. Eine ist es, dem Beispiel vieler in der Zivilgesellschaft, nicht nur in Österreich, zu folgen: zu helfen auf allen Ebenen – international, national aber auch lokal in den Gemeinden –, Lösun­gen zu finden, auch internationale Lösungen, Friedensinitiativen anzugehen, die Flüchtlingshilfe vor Ort zu unterstützen, darüber nachzudenken, wie man legale Einreisemöglichkeiten organisieren kann.

Die andere Möglichkeit ist das Orbán-Modell, und da haben Sie, Herr Klubobmann Strache, heute erneut Respekt für Orbán zum Ausdruck gebracht. Ich möchte Ihnen noch einmal vor Augen führen, was tatsächlich in diesem Land jetzt geschieht. Dafür, dass man vollkommen wahllos mit Tränengasgranaten in Mengen hineinschießt, in denen sich auch sehr viele Kinder befinden, kann ich keinen Respekt empfinden! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich kann auch keinen Respekt dafür empfinden, dass an der Grenze, wie dies nach Berichten von Amnesty International geschehen ist, tatsächlich Eltern von ihren Kindern getrennt worden sind. Ein achtjähriger Bub ist von seinen Eltern getrennt worden.

Ich kann auch keinen Respekt dafür empfinden, dass die Polizei offensichtlich syste­matisch nicht nur Journalisten, sondern vor allem Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern mit Gewalt konfrontiert. Österreicher bei Nickelsdorf erzählen, dass sie Flüchtlingen teilweise Glassplitter aus den Fußsohlen herausoperieren mussten – und den überein­stimmenden Berichten dieser Flüchtenden zufolge mussten sie über Glasscherben laufen. Das erzählen Sanitäter, die im österreichischen Nickelsdorf im Einsatz sind.

Meiner Meinung nach ist es sehr wohl möglich, zu diesen dort angewandten Praktiken, dazu, dass systematisch mit Gewalt gegen Flüchtlinge vorgegangen wird, zumindest auch ein Wort der Kritik zu finden und nicht nur Respekt zu äußern, aber offensichtlich gefällt Ihnen diese Art und Weise, wie man mit Flüchtlingen umgeht. Das belegt für mich leider auch die Aggressivität, mit der Sie heute gesprochen haben.

Ich glaube, dass wir uns die Entscheidung sehr leicht machen können. Wir können dem Beispiel dieser vielen Menschen in Österreich folgen – von der Freiwilligen Feuer­wehr bis zum Alpenverein, von unzähligen Einzelpersonen, von Facebook-Initiativen, von Betrieben und natürlich von den Hilfsorganisationen –, die nicht nur Solidarität und Menschlichkeit gezeigt haben, sondern die vor allem auch mitgeholfen haben, die teilweise bis zur Erschöpfung mitgearbeitet haben.

Es wäre eigentlich die Aufgabe der Politik, diesbezüglich wirklich zu arbeiten, statt dieses Thema zu missbrauchen. Ich finde es niederträchtig, die Flüchtlingsfrage als


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