Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 46

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verschuldung wegen des Hypo-Desasters. 5,6 Milliarden € Neuverschuldung. So viel zu den Politikern, welchen wir es zu verdanken haben, dass Milliarden verschleudert und in den Sand gesetzt wurden, und so viel auch zum Titel dieser Dringlichen Anfrage der FPÖ, nämlich „Österreich im Ausnahmezustand“.

Ja, es ist in der Tat ein Ausnahmezustand, wenn durch eine FPÖ-Regierungs­beteili-gung in Kärnten ein derart großer Schaden entstanden ist (Abg. Strache: Das ist ein Wahnsinn!), der nur in diesem Jahr 5,6 Milliarden beträgt. (Abg. Podgorschek: Redet mit dem Kogler! – Zwischenruf des Abg. Darmann.)

Wenn wir jetzt die Fotos von Familien mit Kleinkindern an der Hand und Babys am Arm sehen, die über die Grenze kommen, dann handelt es sich um Menschen, die seit zwei Jahren, drei Jahren, vier Jahren in irgendwelchen Flüchtlingsmassenlagern rund um Syrien ausgeharrt haben, dann handelt es sich um Menschen, die vorerst, und zwar ziemlich lange, in der Krisenregion geblieben sind, in der Hoffnung, bald wieder in ihre Heimat Syrien zurückkehren zu können, dann handelt es sich um Menschen, deren Kinder seit zwei Jahren, drei Jahren, vier Jahren nicht mehr in die Schule gehen können.

Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen bitten – vor allem diejenigen, die selber Kinder oder Enkelkinder haben –, nur eine Minute nachzudenken, was es für die eigenen Kinder oder für die eigenen Enkelkinder hieße, wenn die nicht einmal lesen und schreiben können.

Wenn sich jetzt also Tausende Flüchtlinge in Bewegung gesetzt haben, in die EU, dann sind das Menschen, die großteils mit 50 Cent am Tag auskommen müssen, weil die Welternährungshilfe von den Vereinten Nationen drastisch reduziert wurde. Es läge in unserer Macht, das zu ändern. Dass es so weit gekommen ist, ist tragisch, dass die Betroffenen, die Flüchtlinge das selber in die Hand nehmen mussten, sich in Bewe­gung setzen mussten, auf sich aufmerksam machen mussten – an der griechischen Grenze, an der mazedonischen Grenze, an der serbischen, an der ungarischen, an der österreichischen, an der deutschen Grenze –, dass sie teilweise nichts mehr zum Beißen haben. Das ist die Realität der syrischen Kriegsflüchtlinge, sehr geehrte Damen und Herren.

Europa steht jetzt an einem Wendepunkt, und Europa sind wir alle. Wird unser Europa sich dafür entscheiden, dass 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und 25 Jahre nach dem Fall des Stacheldrahtzauns auch an unseren Grenzen neue Stacheldrahtzäune aufgesetzt werden, oder nicht? Wir stehen gemeinsam vor der Entscheidung, ob wir als Europa – noch einmal: wir alle sind Europa – uns wegducken wollen, uns aus der Verantwortung stehlen wollen, während es beim Nachbarn buchstäblich brennt. Und durch diesen grausamen Krieg in Syrien, der ins fünfte Jahr gegangen ist, brennt es buchstäblich beim Nachbarn.

Um diese Entscheidung geht es. Ich sage das als jemand, die nach Ungarn gefahren ist, nach Bicske, wo ein Flüchtlingszug von bewaffneten ungarischen Polizisten umzin­gelt stehen musste, wo Flüchtlinge nicht mehr weiterfahren durften, aber auch kein Asyl bekommen haben und schon gar keine menschenwürdige Behandlung. Ich sage das als jemand, die nach Nickelsdorf gefahren ist und Hunderte Flüchtlingsfamilien mit Kleinkindern an der Hand gesehen hat, wie sie teilweise hungerleidend auf Verteilung von Brot an der Grenze angewiesen gewesen sind.

Wir alle stehen vor der Wahl. Werden wir uns für eine solidarische EU-Asylpolitik ein­setzen und sagen: Die Menschen, die noch in der Krisenregion rund um Syrien sind, für die schauen wir, dass sie endlich genug zum Essen bekommen, dass sie endlich Schulen bekommen, damit ihre Kinder wie unsere Kinder und Enkelkinder auch Bildung genießen können, damit sie keine Analphabeten und Analphabetinnen wer-


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