Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 57

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Jeder vernünftige Mensch – und da sind beide Begriffe wichtig, vernünftig und Mensch – will so wenige Flüchtlinge wie möglich, aus einem einfachen Grund: Es gibt nichts Schrecklicheres, als zu sehen, wie Menschen gezwungen sind, alles zurück­zulassen und vor einem Bürgerkrieg, vor Bomben, vor Vernichtung ganzer Stadtviertel zu fliehen.

Wenn wir viele an der Flucht hindern können, wenn wir Flucht unnötig machen, das ist doch das Beste, was wir erreichen können hier in Österreich und auch unten, vor Ort! Und genau darum geht es ja. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Nur gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten. Die eine Methode, die Methode Strache, Orbán und so weiter: Stacheldraht. Wir wissen inzwischen, dass das nicht nur un­menschlich ist, sondern dass es auch letzten Endes nichts nützt. Man kann Leute, die flüchten müssen, weil es um Leben und Existenz geht, aufhalten, aber man kann sie letzten Endes nicht an der Flucht hindern. Flucht kann man nur verhindern, wenn man Fluchtgründe beseitigt.

Wir werden kurzfristig den Syrien-Konflikt als Republik Österreich nicht lösen können. Schön wäre es, wenn wir es könnten! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Aber wir können einen wesentlichen Beitrag leisten, dass Menschen in der Nähe ihrer Heimat bleiben und dort überleben können. Das kostet einen Dollar pro Tag. Das rechnet uns die UNO vor. Wir haben gesehen, das World Food Programme, das genau diese Lebensmittelversorgung vor Ort organisiert, war im Juni pleite, weil viele Staaten einfach nicht gezahlt haben. Deswegen haben wir gesagt: Das nehmen wir jetzt selbst in die Hand, das gibt es doch nicht!

Wenn diese Menschen vor dem Hunger in den Lagern zu uns flüchten müssen, weil sie nur bei uns eine Überlebenschance sehen, dann ist ja das nicht nur unmenschlich, sondern auch wirtschaftlich das Dümmste, was man machen kann. Wir ersparen uns unten einen Dollar und zahlen dann für dieselben Flüchtlinge, die sich tausende Kilo­meter zu uns gequält haben, 20 Dollar? – Dümmer geht es nicht mehr! Deswegen geht es auch um wirtschaftliche Vernunft, wenn man gleich unten hilft. Deswegen sind diese Programme so wichtig, weil sie die einzigen Programme sind, die Menschlichkeit und Vernunft verbinden.

Da haben wir einen ersten Schritt gesetzt. Dieses Orientieren an Deutschland, gemes­sen an der Bevölkerung, heißt unterm Strich: Deutschland hat heuer 151 Millionen € für das World Food Programme gezahlt. Österreich hat etwa 10 Prozent an Einwohnern im Vergleich zu Deutschland und müsste somit 15 Millionen € zahlen – ich gehe davon aus, das werden wir auch machen.

Die direkte Syrien-Hilfe von Deutschland beträgt ziemlich genau 60 Millionen €, das heißt, zumindest 6 Millionen € müssten von uns sehr, sehr schnell in die Region vor Ort – Türkei, Libanon, Nordirak, Jordanien – gehen. Dann haben wir etwas Wichtiges geschafft.

Sie können das ja umrechnen. Es ist ja so einfach: 1 Dollar pro Tag, 15 Millionen € aus Österreich, das heißt, 15 Millionen Tage unten finanziert. Dividieren Sie es durch 365, dann sehen Sie, wie wir mit dieser Summe das Überleben, und zwar ein men­schenwürdiges Überleben unten sichern können.

Ich bin froh, dass wir das geschafft haben, weil wir in Europa in der „guten Gesell­schaft“ sein wollen. Die gute Gesellschaft ist die Gesellschaft von Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Luxemburg und Schweden, und nicht in der „schlechten Gesellschaft“ mancher anderer Nachbarn, über die heute zu Recht einiges sehr, sehr kritisch auch von der Regierungsbank bemerkt worden ist.

 


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