Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 54

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nicht um die Kinder, es geht auch nicht um das, was heute eine Kollegin von Ihnen gesagt hat, nämlich dass wir gar nicht wissen, was wir von der Schule wollen. Ist es wirklich so, wissen wir das nicht? Wissen wir nach so vielen Jahrzehnten nicht, was wir wollen?

Ich kann Ihnen sagen, was wir von der Schule wollen – das ist gar nicht viel –: Wir wollen, dass jeder lesen und schreiben lernt. Ein Viertel kann das nach der Pflicht­schule nicht! Nach neun Jahren Schule kann ein Viertel nicht lesen und schreiben! Ich sage: Wir wollen, dass alle lesen und schreiben lernen! (Beifall beim Team Stronach.)

Und ich sage dazu: Ich will, dass einige von denen, die in die Schule gehen, heraus­ragende Leistungen vollbringen und danach auch in der Wirtschaft und in anderen Be­reichen herausragende Leistungen erbringen können, für uns alle. – Das ist das, was ich will. Das ist nicht viel. Das schafft aber die Schule nicht. Und warum schafft sie es nicht? – Weil Sie zentral von oben bis hinunter in jede kleinste Klasse regieren wollen und gemeinsam mit den Landeshäuptlingen da den Einfluss nicht aufgeben wollen. Sinn macht das überhaupt keinen, denn Sie haben überhaupt nichts beizutragen. Sie kommen mir vor wie in der DDR oder auch in der Sowjetunion, wo das Zentralkomitee entschieden hat, wie viele Schuhe und vor allem welche Größen produziert werden. Das hat das Zentralkomitee für das ganze Land entschieden. Wissen Sie, was dann passiert ist? – Die meisten sind entweder mit zu großen oder zu kleinen Schuhen he­rumgelaufen. Genau das Gleiche passiert in der Schule: Für die einen passt es nicht, ist es zu wenig, und für die anderen ist es eine Überforderung. Und das protegieren Sie mit Ihrem System. (Beifall beim Team Stronach.)

Viele haben ja gesagt: Man kann doch die Schule nicht der Politik entziehen, denn da geht es ja um etwas! Das ist ja gesellschaftspolitischer Selbstmord, wenn die Politik hier nicht eingreift, da kann ja wirklich etwas passieren! – Ich bringe Ihnen nur ein Beispiel: Wenn ein Installateur zu Ihnen nach Hause kommt und quer durch das Haus eine Gasleitung legt – da könnten Menschen sterben, da könnte das ganze Haus in die Luft fliegen –, sagen Sie dann dem Installateur, was er machen muss, wie er es ma­chen muss? Stellen Sie den Installateur an und entscheiden darüber, wer Chef und wer Installateur sein darf, wer auf die Baustelle kommt? – Das machen Sie auch nicht.

Da gibt es Regeln, da gibt es ganz genaue Verfahren, nach denen man vorgeht, und dann passiert eben praktisch nichts. Und so sollte es auch im Schulbereich sein: Sie sollten ordentliche Regeln machen und vorgeben, was wir von der Schule haben wollen – wir wollen, dass jeder lesen und schreiben kann, wenn er die Schule verlässt, wir wollen auch herausragende Leistungen, wir wollen eine Förderung von besonderen Talenten, und wir wollen niemanden zurücklassen; das reicht an und für sich schon –, und ein Kontrollsystem machen, im Rahmen dessen Sie regelmäßig, zweimal im Jahr, überprüfen, ob die Schule das tut, was sie tun soll. Und der Rest liegt bei der Schule. Der Rest liegt bei der Schule! (Beifall beim Team Stronach.)

Das heißt, den Rest entscheiden der Direktor vor Ort, die Lehrer vor Ort gemeinsam mit den Eltern. Den Rest machen jene vor Ort, die wissen, wo der Bedarf ist. Ich sage Ihnen eines: Eine Schule in Wien braucht etwas ganz anderes als eine Schule zum Beispiel in Perchtoldsdorf, in Baden oder sonst wo. Und wer weiß am besten, was das ist? Wissen Sie das am besten? Sie haben sich heute gerühmt, Sie haben jetzt 16 Schulen besucht – na bravo. Glauben Sie, dass Sie jetzt mehr wissen als die Di­rektoren vor Ort? Glauben Sie, dass Sie jetzt mehr wissen als die Lehrer vor Ort? – Das ist eben nicht der Fall, und genau das ist der Punkt. (Zwischenruf des Abg. Wal­ser. – Abg. Brosz: Vor allem wir wissen weniger als Sie!)

Wer nicht glaubt, dass Sie nicht wissen, worum es vor Ort geht, braucht sich nur anzu­schauen, dass Sie Hunderte Flüchtlingskinder – ohne dass Sie überhaupt eine Ahnung haben, was die Kinder dort machen – in Klassen stecken, wo sie weder dem Unterricht


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