Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 56

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teilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.“

Der Sinn dieses Zitats ist: Wir sind alle gleich, aber jeder Mensch hat einen anderen Hintergrund, kommt aus einer anderen Familie, hat andere Bedürfnisse, hat andere Ta­lente, und das Wichtigste, was eine Schule machen kann, ist, jeden Menschen, jeden Jugendlichen dort abzuholen, wo er ist, und auch, ihm irgendwie ein gewisses Selbst­bewusstsein für das Leben mitzugeben, ihn zu stärken und auch ein bisschen Feuer in ihm zu entfachen. (Beifall bei den Grünen.)

Unsere Schulen schauen aber leider im Moment ziemlich anders aus, die stammen so­zusagen vom Modell her großteils aus dem 18. Jahrhundert. Damals hat sich die Kai­serin gedacht: Wir brauchen Fabriken, wo wir Jugendlichen sozusagen Wissen ein­trichtern, mit 30, 40 Schülerinnen und Schülern in einer Klasse, mit einem Lehrer, der im Frontalunterricht in 50-Minuten-Einheiten unterrichtet, das Ganze wie am Fließband, und wer sozusagen nicht mitfließt auf diesem Fließband, der fliegt hinaus. – Das Ziel waren eigentlich brave Arbeiter und Arbeiterinnen, die keine weiteren großen Fragen stellen.

Klarerweise hat sich seit damals einiges gebessert, aber im Kern ist es noch immer das gleiche Modell, und das Problem ist, dass dieser Kern, dieses Modell der Fabrik, nicht mehr in die heutige Zeit passt und ganz viele Schülerinnen und Schüler wirklich unglücklich macht, ganz vielen nicht Selbstbewusstsein gibt, sondern Selbstbewusst­sein nimmt und uns und natürlich auch unserer Gesellschaft eher unglaublich viel Geld und Ressourcen und Kreativität kostet.

Was heißt das also ganz konkret? Was würden wir Grüne tun, um dieses System zu ändern und ein bisschen mehr Individualität hineinzubringen?

Der erste Punkt, den ich unglaublich wichtig finde, ist: Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer. – Ich kann Ihnen zum Beispiel Folgendes sagen: Mein Vater hat bis vor zwei Jahren an einer HTL unterrichtet, er war HTL-Lehrer in Kärnten und hat 250 Schü­lerinnen und Schüler in zehn Klassen im gleichen Jahr unterrichtet – 250 Schülerinnen und Schüler! Da kann man sich vorstellen, in so einem Setting ist Individualität oder individuelles Eingehen auf Schülerinnen und Schüler de facto nicht mehr möglich. Da kann man froh sein, wenn man sich die Namen merkt, da kann man froh sein, wenn man ein paar wenige fördert, aber mehr ist nicht möglich. Deshalb sagen wir Grüne ganz konkret, dass wir zum Beispiel jetzt für Wien 1 000 Lehrerinnen und Lehrer mehr brauchen, und dafür müssen wir auch Geld in die Hand nehmen. (Beifall bei den Grü­nen. – Abg. Neubauer: Der war gut!)

Zweiter Punkt: Wir brauchen ein Modulsystem. – Das heißt, es muss mehr in die Rich­tung gehen, dass man nicht die ganze Zeit nur in dem Bereich lernt, wo seine eigenen Schwächen liegen, und dann eher frustriert wird, sondern dass man in dem Bereich lernt, wo die eigenen Stärken liegen und was einem Spaß macht. Das heißt zum Bei­spiel für uns Grüne, dass wir ein Modulsystem wollen, wo man sich ab der Oberstufe wirklich selber seine eigenen Schwerpunkte setzen kann. Ich finde zum Beispiel, dass die Zentralmatura, wenn man nichts anderes an der Politik ändert, in diesem Punkt genau in die falsche Richtung geht.

Dritter Punkt: Wir brauchen mehr Projektunterricht. Das heißt, wir müssen mehr dahin kommen, dass wir nicht diese starren 50-Minuten-Fließband-Einheiten haben, sondern dass wir mehr in die Richtung gehen: Warum nicht einmal eine Woche, zwei Wochen oder einen Monat an einem Projekt arbeiten, das Spaß macht? – Genau das sind die zentralen Punkte!

Vierter Punkt: Wir brauchen mehr Ressourcen in Richtung dessen, woran es in den Schulen wirklich einen Bedarf gibt. Unterschiedliche Schulen brauchen unterschiedli-


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