Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 71

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rinnen! Wir haben sehr viel gehört zum Thema, und sehr oft geht es um Segregation, um Aussortierung, um Ausgruppierung. Das, finde ich, ist in unserer heutigen Zeit nicht mehr angemessen. Die Barrieren in den Köpfen gehören beseitigt.

Inklusion heißt gemeinsam unterschiedlich leben. Wir brauchen dringend einen Pers­pektivenwechsel. Sie kennen den Begriff der Integration. Integration bedeutet, ein Kind muss sich an das System anpassen. Wenn vielleicht ein behindertes Kind in der Klas­se ist, bekommt es vier Stunden Sonderförderbedarf zuerkannt – oder das Kind be­kommt gar nichts, wenn es nicht gemeldet ist. Wenn das Kind in der Inklusion in die Schule gehen kann, dann wird geschaut: Welcher Bedarf besteht? Welche Ausstattung wird gebraucht? Ein Kind braucht gebärdensprachliche Förderung, ein anderes Kind braucht eine Rampe und so weiter. Das ist die Zukunft!

Die Einstellung ist oft noch so, dass – wie soll ich sagen? – Wohlfahrt das Thema ist und dass man schaut: Das arme behinderte Kind, was braucht es? Nein, ein gehör­loses Kind braucht nicht in den Musikunterricht zu gehen, ein Rollstuhlfahrer braucht keinen Sportunterricht. – Man soll, hin zum selbstbestimmten Leben, einen anderen Zugang finden, andere Fächer, andere Möglichkeiten anbieten, die passend sind, da­mit man Chancen hat und später einen interessanten Beruf wählen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Ganz wichtig ist auch, dass man das behinderte Kind nicht als Objekt sehen sollte! Die Behinderung ist nicht das, worauf man sich konzentrieren sollte. Man soll nicht auf die Behinderung schauen, sondern auf den Menschen, auf das Kind, auf seine Stärken, seine Fähigkeiten: Wo kann man etwas fördern? Wo ist Interesse vorhanden? – Die Stärken gehören gefördert!

Ein weiteres Problem ist auch oft, dass man behinderte Menschen als Patienten sieht. Viele Lehrer sagen: Nein, das schaffen wir nicht, da sind wir überfordert!, und die lehnen dann oft auch behinderte Kinder ab. Ein Kind mit Down-Syndrom hat in einer privaten Schule keine Möglichkeit, aufgenommen zu werden. – Jedes Kind soll als Bür­gerIn gesehen werden. Inklusion und Demokratie für alle! Man muss schauen: Wel­chen Bedarf hat man? Braucht man einen Stützlehrer? Braucht man einen Assis­tenten? Braucht es Physiotherapie? Braucht es ein spezielles Fach?

Wenn zwei Kinder eine bestimmte Behinderung haben, ist es natürlich besser. Wenn in einer Klasse nur ein Kind alleine behindert ist, fühlt es sich sehr isoliert und denkt auch – ich habe das oft schon gehört –, nach der Schule werde ich wahrscheinlich sterben, denn erwachsene behinderte Menschen hat dieses Kind nie gesehen.

Es ist so dringend notwendig, dass man Vorbilder schafft! Ich weiß, es gibt gehörlose Erfinder. Wenn man das den Kindern in der Schule erzählt, entsteht eine Motivation, entsteht ein Interesse. Ein Role Model ist unbedingt notwendig. (Beifall bei den Grü­nen.)

Später auf dem Arbeitsmarkt ist das für alle nur von Vorteil. Man sieht positive Vorbil­der. Man muss nicht das arme behinderte Kind in die geschützte Werkstätte bringen. Nein, ein positives Vorbild ist notwendig! Gehörlose und behinderte Kinder sind kein Problemfall! Nein, es geht um ein Recht auf ein gemeinsames Leben!

Ich finde, die Zeit ist einfach reif dafür, dass wir nicht mehr auf die Segregation schau­en, nicht sagen, der gehört in die Hauptschule und der gehört in die Sonderschule. Nein, die Zeit ist reif für ein gemeinsames Leben!

Inklusion bedeutet, in der Gemeinschaft unterschiedlich zu sein. Und diese Aufgabe liegt beim Ministerium. Wir haben eine Broschüre gemacht zum Thema Inklusion, In­klusion in der Bildung. Die kann ich sehr empfehlen, und ich würde mich freuen, wenn Sie sie durchlesen würden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.36

 


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