Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll96. Sitzung / Seite 114

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verbringen, muss gut aufpassen, nicht die Begrenzung der Tagesarbeitszeit auf 10 Stunden (§9 AZG) zu überschreiten. Die Schulveranstaltung eines Kindes am Nachmittag oder den Sprechtag möchten Eltern nicht versäumen. Doch wird der Chef oft nicht einverstanden sein, wenn der Mitarbeiter die liegen gebliebene Arbeit stattdessen am Samstag erledigen möchte. Da muss das Unternehmen nämlich für dieselbe Arbeit Zuschläge zahlen (nach den meisten Kollektivverträgen).

Moderne und flexible Arbeitsgestaltung wird durch die rechtlichen Grundlagen konterkariert bzw. enorm eingeschränkt. Ein modernes Arbeitsrecht müsste auch einen Rahmen für flexiblen Ressourceneinsatz im Sinne von Vertrauensarbeitszeit, aber auch Jahresarbeitszeitmodelle und Zeitkonten erlauben. Gerade durch den inter­nationale Wettbewerb und den technischen Fortschritt sollte Österreich auf solche Entwicklungen reagieren und Rahmenbedingungen im Arbeitsrecht setzen, die uns zu Gewinnern einer solchen Digitalisierung machen - eine Entwicklung, die von der Regierung bzw. allen voran von der Sozialpartnerschaft verschlafen wird.

Die Regeln für die Entgeltfortzahlung im Krankenstand von Angestellten sind so kompliziert, dass selbst GKK-Mitarbeiter oft tüfteln müssen, um zum korrekten Ergeb­nis zu gelangen. Bei unterjährigem Austritt des/der Arbeitnehmers/-nehmerin wird der Urlaub aliquotiert. Bei unterjährigem Eintritt nur in der zweiten Jahreshälfte. Wer soll das verstehen? Mit der Elternteilzeit hat die schwarz-blaue Regierung damals übers Ziel geschossen: Sie dauert zu lang. Und es bräuchte einen Korridor von Mindest- und Höchstarbeitszeitausmaß, um Missbrauch hintanzuhalten.

Ältere Arbeitnehmer_innen

Die allgemeinen Versäumnisse der heimischen Arbeitsmarktpolitik machen besonders deutlich, dass wir durch demographische Veränderungen vor enormen Herausforde­run­gen am Arbeitsmarkt stehen. Die bereits angesprochenen Punkte sind dabei vor allem tangierende Maßnahmen, die bestimmte Problemgruppen umfassen müssen. Allerdings ist auch vollkommen klar, dass diese Problemgruppen mit spezifischen strukturellen Problemen zu kämpfen haben.

Das - nötigerweise - steigende Pensionsantrittsalter und damit einhergehend die Not­wen­digkeit einer zu steigernden Beschäftigungsquote ältere Arbeitnehmer_innen stellt für den Arbeitsmarkt eine besondere Herausforderung dar. Ältere Arbeitnehmer_innen weisen am Arbeitsmarkt wesentliche Merkmale auf, die sie im Wettbewerb um Arbeits­plätze gegenüber jüngeren Bewerber_innen und Kolleg_innen in eine schlechtere Position bringen. Ältere Arbeitnehmer_innen sind durchschnittlich mehr Tage im Jahr im Krankenstand, sie sind oftmals weniger leistungsfähig, bringen aber einen enormen Erfahrungsschatz mit.

Auch andere arbeitsrechtlich festgeschriebene alters- bzw. dienstzeitabhängige An­sprüche, wie der Anspruch auf eine zusätzliche Urlaubswoche, Jubiläumsgelder und zusätzlich die kollektivvertraglich festgelegten Lohnsteigerungen führen zu einer außer­ordentlichen Verteuerung von älteren Arbeitnehmer_innen im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmer_innen. Die Erfahrungszuwächse können allerdings nicht mit dienstzeit- und altersabhängigen Ansprüchen Schritt halten und schwächen die Situation von älteren Arbeitnehmer_innen am Arbeitsmarkt. Von Seiten der Sozialdemokratie können die Problematiken aufgrund des Senioritätsprinzips nur deshalb klein geredet werden, weil sie bei der Betrachtung der höheren Lohnkosten für ältere Arbeitnehmer_innen die angesprochenen dienstzeit- und altersabhängige Leistungen nicht berücksichtigen. Eine reduzierte Betrachtung des Senioritätsprinzips auf die Mindestlohnentwicklung in Kollektivverträgen ist nicht zielführend.

 


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