Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 83

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12.24.24

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Fast ist es noch eine Aktuelle Europastunde geworden, dank der Vorredner. Aber was sind denn die zentralen Fragen? Ich hätte es ja nicht für möglich gehalten, dass sie sich im Jahr 2015 noch einmal so stellen, aber es ist doch tatsächlich so, dass die Frage auch lautet – es ist so weit gekommen, ja –: Bleibt dieses Europa zusammen? Bleiben die Staaten zusammen in ihren Ansätzen? Manchmal hat man sogar das Ge­fühl, sie lautet auch: Bleiben die Bürgerinnen und Bürger, bleiben die Bevölkerungen zusammen?

Aber das Ganze ist, entgegen dem, was immer gerne behauptet wird und was man heute hier wieder mehrheitlich hören konnte – von einer Seite hört man es eh nie an­ders, darauf gehe ich gar nicht mehr ein –, eine Krise der individuellen, fast, Eitelkeiten, jedenfalls unsolidarischen Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Mitgliedstaaten und nicht der Union, zumindest nicht in erster Linie. Genau deshalb stellt sich die Frage nach dem zukünftigen Europa: Soll das jetzt eines sein, wo die Schlagbäume herun­tergeschlagen werden und die Stacheldrahtzäune hochgezogen werden, mit allen wirt­schaftlichen Schäden im Übrigen – dies sei nebenbei bemerkt, Herr Lopatka von der Wirtschaftspartei –, oder geht es weiter darum, dass wir das verteidigen, wenn hier schon vom Verteidigen gesprochen wird, was vor allem auch die Prinzipien und die Werte sind? Da geht es um fundamentale Dinge. Da geht es schon darum, dass wir in Wahrheit von Kriegsflüchtlingen reden, weil dort Krieg ist. Wenn man Ihnen zuhört, glaubt man immer, bei uns ist Krieg, angesichts der Maßnahmen, die Sie fordern. Dort ist Krieg, wo die herkommen! (Beifall bei den Grünen.)

Wissen Sie, dass diese Menschen, wenn man das verfolgen wollte – ich bleibe jetzt natürlich in erster Linie bei Syrien, das sage ich schon dazu; ich komme dann noch, wenn es sich ausgeht, auf Afrika zu sprechen –, dort an Leib und Leben und mit Folter bedroht werden? Wovon reden wir denn hier in unserer warmen Stube? Das ist ja un­fassbar, wenn man da zuhören muss. Die internationale Kommission, die untersuchen musste, ob und wie vor Jahren in Syrien Giftgasangriffe zustande gekommen sind, konnte den Vortrag vor der Öffentlichkeit nicht machen, ohne dass alle Mitglieder zu weinen begonnen haben – haben Sie das nie verfolgt? –, weil dort auf den Videos zu sehen war, wie die Kinder elendiglich verrecken – man kann es nicht anders sagen. Und dann muss man sich das da anhören?! (Abg. Hübner: Was heißt „das da an­hören“?) Wo sind wir denn! – So ist es auch! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hübner: Was ist „das da“?)

Dass Sie mit Europa nichts am Hut haben, wissen wir eh. Sie sind ja Teil des Pro­blems! Aber in der Demokratie ist ja vieles möglich. Und deshalb geht es auch um die­se europäischen Werte. Man sagt immer, die Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Das ist richtig. Sie sind aber auch nicht handelbar, deshalb ist dieses Kosten-Nutzen-Regime so komisch, das da öfters angewandt wird, wenn es um solche Fragen geht. – Und jetzt schauen wir uns das im Einzelnen an.

Wer nur zum Nationalstaat zurück will – wenn Sie sich hier schon zwischenrufend he­raustrauen –, der will gar kein Europa mehr, das geht sich in dieser Situation nicht mehr aus. Aber schlimmer noch, er will gar keine Lösung! Das ist ja das Problem. Wir werden uns über die Lösungen noch öfter unterhalten müssen, aber es geht in erster Linie um eine Solidaritätskrise und nicht um eine Flüchtlingskrise! Das kann man gar nicht oft genug sagen, obwohl es da oder dort schon verkündet wurde. Aber es ist of­fensichtlich im österreichischen Parlament – wie ich feststellen musste, als ich mir die Diskussion im EU-Hauptausschuss anhörte – notwendiger denn je, dies wieder festzu­halten.

Es gibt diesbezüglich einen Haufen unwillige Staaten in Europa, das ist richtig, und da müsste man, und davon höre ich nichts mehr – ich bin da ganz offen, das ist zwar


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