Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 180

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ge, der will, dass alles so bleibt, wie es ist, will nicht, dass die Welt bleibt. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass wir Dinge gemeinsam verändern können. Aber an man­chen Tagen – und heute ist so ein Tag, sage ich ganz ehrlich – bin ich nicht nur als Na­tionalratsabgeordnete, sondern auch als Bürgerin des Landes etwas frustriert darüber, wie hier Diskussionen ablaufen, wie oft es leider nicht möglich ist, über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten, von diesem „wir“ und „ihr“ – ihr seid blöd, nein, ihr seid blöd; ihr macht die Fehler, nein, ihr macht die Fehler –, von dem abzukommen. Ich fürchte, wir geben alle zusammen kein sehr tolles Bild ab für die jungen Leute, die auf der Galerie sind. Und ich würde das gerne ändern, mit Ihnen, mit euch gemeinsam.

Es gibt viele Dinge, die wir an der Regierungspolitik kritisieren. Viele von uns, vor allem Oppositionsabgeordnete, sind der Meinung, wir kritisieren das zu Recht. Viele von uns sagen, es gibt Reformen, die seit Jahren und Jahrzehnten anstehen und die nicht wirk­lich angegangen werden, zumindest nicht finalisiert werden – die Bildungsreform ge­hört dazu, die Verwaltungsreform gehört dazu, die Pensionsreform gehört dazu.

Ja, wir sollten uns in aller Form und in aller Höflichkeit miteinander austauschen, wer die besten Ideen hat und wie wir gemeinsam diese besten Ideen umsetzen können. Aber so, wie diese sogenannte Dringliche Anfrage formuliert ist, wie in dieser Wirt­schaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik, die sogenannte Flüchtlingskrise, die im Großen und Ganzen eine Verantwortungskrise auf europäischem Niveau ist, wie das alles ver­manscht wird, ist es leider nicht möglich, gemeinsam Dinge im Detail und in die Tiefe gehend zu diskutieren und uns wirklich auszutauschen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich muss sagen, ich bin auch immer wieder frustriert von der Sprache, die hier in die­sem Haus gesprochen wird – und damit meine ich nicht Deutsch, Vorsicht!, weil der Vorwurf wahrscheinlich von einer Seite jetzt gleich kommen wird –, einer Sprache, die irrsinnig wenig Respekt erkennen lässt für die Mitkollegen und Mitkolleginnen. Was ist vorhin gefallen? – Verräter? Wo der Herr Präsident gesagt hat, er ... (Rufe bei den Grü­nen: „Nestbeschmutzer“!) – Nestbeschmutzer, genau! Das ist nicht gerade die Spra­che, mit der man einander gewinnend begegnen kann. (Abg. Hagen: Aber Sie haben es sinngemäß schon verstanden?)

Ich bekomme immer wieder die Rückmeldung von jungen Leuten, auch von Schülern und Schülerinnen: Ich habe den Fernseher eingeschaltet, habe mir die Debatte im Par­lament angeschaut und wie die Abgeordneten miteinander umgehen! Wenn wir das in der Schule täten, würden wir eine ganz schöne Kopfwäsche von unseren Lehrern und Lehrerinnen kriegen! – Das stimmt, und das gilt für uns alle! (Abg. Lugar: Was genau ist eine Kopfwäsche?)

Wir sollten uns, wenn das schon zum Thema gemacht wird, gemeinsam überlegen: Sind unsere Systeme robust genug, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bewältigen? Ist zum Beispiel das föderale System, das wir derzeit haben, nicht vielmehr ein Hindernis, wie es derzeit ausschaut, um beispielsweise die Herausforde­rung von ungefähr 80 000 bis 90 000 Flüchtlingen in Österreich gemeinsam anzuneh­men? Ist es nicht vielmehr ein Hindernis, wie es derzeit funktioniert oder eben nicht funktioniert, dass Bund, Länder, Gemeinden nicht zusammen, sondern leider oft ge­geneinander arbeiten? 180 000 ungarische Flüchtlinge, von denen ich in meiner Rede vor zwei Stunden gesprochen habe, hat Österreich 1956/57 aufgenommen und ihnen ein Dach über dem Kopf gegeben, 180 000 Flüchtlinge. Wir erwarten heuer 80 000 bis 95 000. Und ist es nicht so, dass unsere Systeme großteils schwer reformbedürftig sind, reformiert werden müssen, damit wir diese Herausforderungen meistern können? (Abg. Steinbichler: Sie können nicht Kraut und Rüben zusammenmischen!)

Ich halte nichts davon, die anderen immer zu beschuldigen und immer den anderen zu sagen: Ihr liegt da total falsch! Alles, was ihr macht, ist Blödsinn! – Das passiert hier aber leider sehr oft im Hohen Haus.

 


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