Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 206

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abschaffen wollen. Das finde ich wirklich beschämend, denn wenn du davon sprichst, dass ein Kurheilverfahren – so wie es auch die Ministerin angesprochen hat – nichts anderes ist als ein Zusatzurlaub, dann – verzeihe mir! – hast du noch nicht mitbekom­men, worum es dabei tatsächlich geht, nämlich darum, die Menschen so schnell wie möglich wieder fit für den Job zu machen.

Wir haben – gerade im ländlichen Bereich – gar nicht die Anzahl der erforderlichen Ein­richtungen, dass man sagen kann, dass man dort jeden Tag zum Arzt gehen kann, um sich ambulant behandeln zu lassen; auch sehen das viele Arbeitgeber nicht gerne, wenn man vier- bis fünfmal in der Woche zum Arzt gehen muss.

Wenn wir jetzt, wie aus der Anfragebeantwortung des Bundesministeriums hervorgeht, festgestellt haben, dass in den letzten zehn Jahren – so wie du das richtig gesagt hast – durchschnittlich 150 000 Menschen einen Antrag auf Kurheilverfahren gestellt haben, dann sollten wir uns auch die Frage stellen und sachlich hinterfragen, warum es so eine hohe Anzahl an Kuranträgen gibt, denn darüber redet offensichtlich niemand. Da die Frau Bundesministerin bereits über psychische Belastungen gesprochen hast, möchte ich einen anderen Aspekt einbringen, nämlich: Die Österreicherinnen und Ös­terreicher leisten jährlich 300 Millionen Überstunden. Und wenn dann nach zehn, zwan­zig oder dreißig Jahren harter körperlicher Arbeit der Körper rebelliert und zum Beispiel der Stütz- und Bewegungsapparat kaputt ist, dann um Kur angesucht wird, also um ei­nen dreiwöchigen stationären Aufenthalt, dann wollt Ihr von den NEOS ihnen das Recht auf ein Kurheilverfahren absprechen?! Also dafür habe ich wirklich kein Ver­ständnis!

Reden Sie einmal mit den betroffenen Menschen! Ich kenne genug, die auf Anraten ihres Hausarztes einen Antrag auf Kurheilverfahren gestellt haben, bei der Pensions­versicherungsanstalt dann vorgeladen wurden und von drei, vier, fünf Ärzten unter­sucht wurden, ob der Gesundheitszustand tatsächlich so schlecht ist, dass ein Kurheil­verfahren bewilligt werden kann.

Weiters gibt es sehr viele – das wird auch in der Diskussion nie erwähnt –, die ihren Kuraufenthalt bewilligt bekommen und sich dann dem Arbeitgeber gar nicht zu sagen getrauen, dass sie den dreiwöchigen Krankenstand, der ihnen ja in so einem Fall zu­steht, nicht beanspruchen, sondern dafür auf Urlaub gehen. Das ist es, was mir dann bei der ganzen Diskussion auf den Wecker geht: Das wollt Ihr ja in Wahrheit, dass die­se Sozialleistungen nicht beansprucht werden. Deshalb gibt es ja auch die Diskussion, erster Tag Krankenstand sollte als Urlaub genommen werden – und das alles unter dem Deckmantel, Lohnnebenkosten zu senken!

Ich werde es sicherlich nicht zulassen, dass Arbeitnehmerrechte ständig mit Füßen ge­treten werden! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Und dann kommen Leute hier heraus und verbreiten Schwachsinn, indem sie sagen, dass die Versicherungsträger denen eh nur Zuckerln geben. – Statt Polemik sollten wir wirklich versuchen, wieder Sachlichkeit in diese Diskussion über Reha-Maßnahmen und Kuraufenthalte zu bringen. Dazu müssen wir das Thema nämlich ganz anders an­gehen und uns fragen, wie wir es schaffen, allen Menschen in Österreich ein längeres, selbstbestimmtes Leben bei guter Gesundheit zu ermöglichen. Dazu brauchen wir eine qualitativ hochstehende und effiziente Gesundheitsversorgung für alle, aber auch ein so­lidarisches Finanzierungssystem innerhalb unserer Krankenversicherungsträger.

Da die Kollegin Nachbauer vorhin davon gesprochen hat, dass der Bundeskanzler ges­tern beim Bundesforum der GPA-djp war und dort verlangt hat, dass man auch über eine Wertschöpfungsabgabe sprechen soll: Ja, dazu bekenne ich mich auch! Wenn im­mer weniger Leute immer mehr produzieren und Großkonzerne in Österreich gar keine Steuern mehr zahlen, dann müssen wir, wenn wir wollen, dass unser gutes Sozial- und


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