Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 233

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Die Bundesregierung hat sich immer im Bewusstsein bewegt, dass es sich dabei um eine sehr sensible Situation handelt, und hat die Vorgehensweise auch durch die Ein­holung von Rechtsgutachten sowohl durch den Verfassungsdienst des Bundeskanzler­amtes als auch durch die Rechtssektion des Innenministeriums untermauert sowie die­se Ergebnisse im Ministerrat diskutiert und dort auch zur Kenntnis genommen.

Es ist aber grundsätzlich auch einmal festzuhalten, dass es hierbei um eine Rechtsgü­terabwägung geht und dass dabei eine äußerst sensible Vorgangsweise zugrunde zu legen ist, wenn das Rechtsgut des Lebens und der Gesundheit, das sicherlich als das höherrangige, wenn nicht das höchstrangige gilt, zu bewerten ist. Daher stellt sich auch die Frage, ob man nicht zynisch, menschenverachtend und auch außerhalb des euro­päischen Grundrechtsverständnisses agiert, wenn man das bezweifeln möchte. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Ich darf kurz zur Versachlichung insofern beitragen, als ich in aller Kürze die zwei Rechtsgutachten in den wesentlichen Absätzen zitiere.

Aus dem Rechtsgutachten des Innenministeriums:

„Gemäß Art. 5 Abs. 4 lit. c des Schengener Grenzkodex kann ein Mitgliedstaat Dritt­staatsangehörigen, die eine oder mehrere Einreisevoraussetzungen (u.a. Besitz eines Reisepasses, Besitz eines Visums) nicht erfüllen, die Einreise in sein Hoheitsgebiet u.a.“ – also unter anderem – „aus humanitären Gründen gestatten.“ (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.)

„Der Grenzkodex wurde als Verordnung der EU erlassen und ist daher unmittelbar an­wendbar. Wenn nicht ohnehin davon ausgegangen wird, dass er daher der nationalen Regelung vorgeht, scheint die Regelung durchaus auch im Einklang mit den Bestim­mungen des § 15 Fremdenpolizeigesetz“ – (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Für Hun­derttausende?!) – „zu stehen, wenn dort auf internationale Vereinbarungen oder wie hinsichtlich der Visumspflicht überhaupt auf EU-Recht verwiesen wird.“ (Zwischenruf des Abg. Darmann.)

Wenn Sie vielleicht zuhören, dann würden Sie eine rechtspolitische Erhellung erfahren (Abg. Walter Rosenkranz: Ich werde in den Stenographischen Protokollen Ihre Er­hellung nachlesen und beim nächsten Schlepperprozess ...!) und Ihr Verhalten viel­leicht auch auf Basis einer juristischen Abwägung überdenken können – sofern Sie das überhaupt wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

„Auf Grund des gegebenen Sachverhalts gestatten die österreichischen Sicherheitsbe­hörden in zulässiger Weise den Grenzübertritt aus humanitären Gründen, auch wenn die Betroffenen über keine Reisepässe oder Visa verfügen.“ – (Abg. Belakowitsch-Je­newein: Hunderttausende?!) – „Damit handelt es sich um keine rechtswidrigen Grenz­übertritte.“

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat Folgendes festgestellt:

„Bei sämtlichen von den Behörden im Zusammenhang mit der Notsituation ergriffenen Maßnahmen ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, was bedeutet, dass je­weils das gelindeste Mittel zum Einsatz zu kommen hat. Der Einsatz staatlicher Mittel hat der Situation angepasst zu erfolgen. Generell geht der Bundeskanzleramt-Verfas­sungsdienst daher davon aus, dass die im Zuge der Notsituation ergriffenen staatlichen Handlungen rechtskonform waren.“ (Abg. Walter Rosenkranz: ... der hat den Asylwer­bern Wurstsemmeln gekauft – zwei Jahre Häfen!)

Daher möchte ich Sie auffordern, in Zukunft vielleicht die geeigneten, in der Verfas­sung übrigens auch zur Verfügung gestellten Mittel zu ergreifen, und zwar jene, wo man seinem eigenen politischen Willen Ausdruck verleihen kann – in diesem Fall den besseren Weg eines Misstrauensantrags. Damit hätten Sie hier vielleicht auch kritisie­ren beziehungsweise darlegen können, wie Sie die Vorgehensweise der Bundesregie-


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