Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll104. Sitzung / Seite 172

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Was wir aber heute beschlossen haben – und das hier anzuführen, kann ich Ihnen nicht ersparen –, ist der Griff des Finanzministers ins Justizbudget. Es werden 40 Mil­lionen € aus dem Justizbudget abgezogen und ins normale Budget übergeführt oder, besser gesagt, Rücklagen aufgelöst, und das ist deswegen fragwürdig, weil diese Rück­lagen dadurch gebildet werden, dass Rechtsschutzsuchende Gebühren zahlen und die­se Gebühren dann über Einnahmen zu Rücklagen werden.

Wir haben in Österreich eine Situation, wo der Gebührenzahler, wo der Rechtsschutz­suchende mehr an Gebühren zahlt, als die Gerichte tatsächlich kosten. Sie erwirtschaf­teten mit überhöhten Gebühren einen Überschuss von 189 Millionen € im Jahr 2014. Und eine Gebühr steht einer tatsächlichen Leistung gegenüber. Diese Praxis, dass der Finanzminister über den Umweg Ihres Ministeriums mittels Gerichtsgebühren den Rechts­schutzsuchenden in die Tasche greift, um sich dann das Budget zu sanieren, ist eine Ungeheuerlichkeit, ja eigentlich eine doppelte Ungeheuerlichkeit, und zwar deswegen, weil gleichzeitig die Justiz zu wenig Geld hat, um ihren Aufgaben nachzukommen.

Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang ein Stichwort liefern: Strafvollzug. Konkret: Es war das Anti-Folter-Komitee in der Justizanstalt Stein und stellte fest, dass dort für 800 Insassen neun Stunden an psychiatrischer Betreuung da sind. Das ist an und für sich ein unhaltbarer Zustand. Der Leiter der Justizanstalt hat Ihnen vor zwei Tagen via „Presse“ wortwörtlich gesagt, er kenne diese Probleme, für Verbesserungsmaßnahmen fehle derzeit allerdings das Geld.

Zusammenfassend: Auf der einen Seite werden die Gebührenzahler über das Justiz­budget zur Kasse gebeten und müssen mehr zahlen, als die Gerichte tatsächlich kos­ten. Auf der anderen Seite kommt der Finanzminister, holt sich die Rücklagen des Jus­tizbudgets, um sein Budget zu sanieren. Und am Ende fehlt dann der Justiz, nämlich dem Strafvollzug, das Geld, um Missstände in Strafvollzugsanstalten beheben zu kön­nen.

Zu den Missständen – die Situation ist ja klar, wir haben sie schon so oft öffentlich dis­kutiert –: Aufgrund mangelnder Ressourcen haben wir lange Einschlusszeiten, weniger Beschäftigung, und das führt zu einem höheren Aggressionspotenzial. Das wiederum erschwert die Resozialisierung. – All das steht einem qualitativ hochwertigen Strafvoll­zug entgegen!

Jetzt kann man sagen: Was interessiert die Österreicherinnen und Österreicher der Strafvollzug? – Das ist mit einem Satz leicht zusammenzufassen: Jeder Österreicher/ jede Österreicherin, unabhängig davon, dass man aus einer Situation heraus sagt, auch in einem Gefängnis soll ein Mindestmaß an Qualitätsstandard vorhanden sein, hat ein Interesse daran, dass diejenigen, die aus der Strafhaft entlassen worden sind, auch jene Instrumente zur Resozialisierung bekommen, die dann dazu führen, dass die Rückfallwahrscheinlichkeit geringer ist.

Apropos Haftentlassung und Rückfallwahrscheinlichkeit: Herr Justizminister, nach „Char­lie Hebdo“ und nach den Anschlägen von Paris wird immer wieder über Eingriffe in Grund­rechte laut nachgedacht. Es wird darüber nachgedacht, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Man will präventiv Hausarrest verhängen. Und, und, und.

Dort aber, wo die Hotspots in Österreich sind, nämlich in den Gefängnissen, wo die Rück­kehrer aus Syrien sitzen, Leute, die in den Dschihad gezogen sind und bereits zurück­gekommen sind, gibt es keinen einzigen Cent mehr für Projekte. Dort, wo die größte Gefahr ist, dass Kleinkriminelle rekrutiert werden, dort, wo sich Personen, die bereits im Dschihad waren, reorganisieren können, schaut man weg.

Aber dort, wo es laut ist, und dort, wo man möglicherweise den schnellen Applaus be­kommt, können sich Innenminister und Justizminister mit Forderungen gar nicht genug im Weg stehen. Aber dort, wo man dringend etwas tun müsste, wo man in die Deradi-


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