Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll104. Sitzung / Seite 222

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Bitte überlegen Sie das noch einmal! Bitte überlegen Sie, ob das wirklich eine sinnvolle Maßnahme ist, nur boulevardorientiert zu lizitieren und immer dann, wenn die Freiheit­liche Partei einen unsinnigen Vorschlag macht, zu sagen: Mir wird ja noch etwas Un­sinnigeres einfallen, da kann ich doch mithalten! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rädler.) Frau Bundesministerin, das ist ein politischer Wettbewerb, der eines Regie­rungsmitgliedes nicht würdig ist. (Beifall bei den Grünen.)

Für wesentlich problematischer halte ich die Forderung nach Hausarrest für Verdäch­tige. Sie haben schon jetzt sehr weitgehende und im Grunde vernünftige gesetzliche Mög­lichkeiten. Dort, wo etwa eine terroristische Vereinigung gebildet oder für sie geworben wird, kann die Strafjustiz wegen Tatbegehungsgefahr jederzeit Untersuchungshaft ver­hängen. Da gibt es alle gesetzlichen Voraussetzungen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Wenn Sie aber dort, wo kein Strafgesetz greift, wo niemand im Sinne der österreichi­schen Justiz und des Rechtsstaates als Verdächtiger gilt, Arrest verhängen wollen, dann befinden wir uns in einem ganz anderen Rechtssystem, das gerade den Namen Rechts­system nicht mehr verdient.

Sie kennen die Europäische Menschenrechtskonvention. Dieser Vorschlag, willkürlich Hausarrest zu verhängen, widerspricht eindeutig dem Artikel 5 der Europäischen Men­schenrechtskonvention. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Sie kennen das Bundesver­fassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit und Sie wissen ganz genau, dass Ihr Vorschlag jenseits des Strafverfahrens und der Strafprozessordnung auch die­sem Verfassungsgesetz widerspricht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Jetzt lese ich Ihnen etwas aus einem Gesetz vor, das Ihre politischen Vor-Vor-Vor-Vor-Vorfahren in diesem Sinne einmal verhängt haben. (Abg. Rädler: Lesen Sie etwas von Ihren Vorfahren!) Es handelt sich in diesem Fall um eine Verordnung, also eine ge­setzesartige Bestimmung. Ich zitiere:

„Der Bundeskanzler und über dessen Ermächtigung die Sicherheitsdirektoren (in Wien der Polizeipräsident) können Personen, die im begründeten Verdachte stehen, staats­feindliche oder sonstige die öffentliche Sicherheit gefährdende Handlungen vorzuberei­ten oder die Begehung oder die Vorbereitung solcher Handlungen zu begünstigen, zu fördern oder dazu ermutigen, zwecks Hintanhaltung von Störungen der öffentlichen Ru­he, Ordnung und Sicherheit zum Aufenthalte in einem bestimmten Orte oder Gebiete ver­halten.“ – Das stammt vom 25. September 1933.

Zur gleichen Zeit hat der, der das vollziehen sollte, gesagt – ich zitiere –:

„Um dies deutlich zu dokumentieren, sei gesagt, daß ich erst gestern die neue Notver­ordnung unterschrieben habe, wonach man Personen nicht erst nach vollbrachter Tat, sondern schon vorher hinter Schloss und Riegel setzen kann, wenn anzunehmen ist, dass das Wirken dieser Personen nicht einwandfrei ist. (Stürmische Zustimmung.)“ (Zwi­schenruf des Abg. Rädler.)

Damals hat man in Richtung Sozialdemokratie gesagt: Das richtet sich ausschließlich gegen die Nationalsozialisten, macht euch keine Sorgen, das ist nur gegen die Natio­nalsozialisten, und ohne das geht es nicht. (Abg. Rädler: Ewiggestriger!)

Mein Vater, damals ein junger Mann, ist dann aufgrund dieser Verordnung eingesperrt worden. Es gibt viele in dieser Republik, die sehr, sehr vorsichtig sind und zu Recht sehr vorsichtig sind, wenn plötzlich solche Vorschläge kommen. Heute heißt es Hausarrest, damals hat es Schutzhaft geheißen.

Frau Bundesministerin, ich unterstelle es Ihnen nicht, aber ich warne Sie davor, sich in einer sehr heiklen Situation, in der es um Sicherheit, aber auch um Freiheit geht, sich auf diesen Lizitationsprozess einzulassen. Wir wissen aus Frankreich: Weniger Freiheit bringt nicht mehr Sicherheit.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite