Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 130

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Das ist eine grundsätzliche Diskussion, die wir vielleicht in der Zukunft auch einmal im Rahmen einer Präsidiale beraten sollten, Frau Präsidentin! (Zwischenruf der Abg. Moser.)

Es geht also um das Thema EURATOM, um den EURATOM-Vertrag. Ich habe hier in diesem Haus schon mehrmals festgehalten, dass Österreich sich bereits 1978 mit der Volksabstimmung in Zwentendorf gegen die Nutzung der Kernenergie ausgesprochen hat. Seither kam es in der gesamten Welt immer wieder zu Super-GAUs, zu Atomkraft­werksunfällen unglaublichen Ausmaßes. Wir kennen die wichtigsten, nämlich die Super-GAUs von Tschernobyl und in jüngster Zeit den Super-GAU von Fukushima.

Wir haben im Hohen Haus einen größtmöglichen Konsens, was die Frage der Errichtung von Atomkraftwerken und auch grenznahen Atomkraftwerken anlangt, das ist bekannt. Doch wenn es um die Grundlage für all diese Atomkraftwerke und Atomrestmülllager geht, um den EURATOM-Vertrag, dann trennt uns doch einiges.

Der EURATOM-Vertrag wurde nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen – einerseits als Grundlage für die Schaffung neuer Energiemöglichkeiten, andererseits aber auch als Ausdruck eines Machtstrebens nach 1945 und der Technologiegläubigkeit in die­sem Bereich. Wir wissen, welche Auswirkungen es damals wie heute geben kann. Die erste Atombombe ist noch allen in Erinnerung. Welches Ausmaß der Zerstörung sie verursacht hat, ist bis heute sichtbar.

Wenn wir als Österreich an diesem EURATOM-Vertrag, der eigentlich das Grundübel für die Atomkraft Europas ist, so krampfhaft festhalten, obwohl wir selbst kein Atomkraftwerk besitzen, dann muss man doch die Frage stellen dürfen: Woran liegt es, dass wir heute mit den Geldern aus EURATOM den Ausbau von Atomkraftwerken finan­zieren, dass wir heute die Weiterentwicklung von Atomkraftwerken – wie in Temelín bei den Reaktoren 3 und 4 – mitfinanzieren, dass wir die Sanierung von Atomkraftwerken mit diesen Geldern mitfinanzieren und damit auch in Kauf nehmen, dass die Laufzeitverlängerung bei diesen Kraftwerken immer wieder rechtlich durch­gesetzt wird, wodurch das Gefahrenpotenzial der Atomkraft gegenüber den letzten Jahrzehnten noch ansteigt?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bei Temelín über 200 Störfälle zu verzeichnen, wir haben vor wenigen Wochen Störfälle in Dukovany gehabt, im Zuge derer bei Reaktoren Schweißnähte aufgebrochen sind, atomarer Stoff in die Kühl­flüssigkeit hineingekommen ist und alles verschwiegen wurde. Die Republik Öster­reich wurde – als Nachbar – erst verspätet in die gesamte Thematik eingebunden.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind Gefahrenpotenziale nahe der österreichischen Grenze, und all das auf der Grundlage eines EURATOM-Vertrages. Demgegenüber fordern wir natürlich: Wir müssen aus diesem EURATOM-Vertrag aussteigen! Die Möglichkeit dafür gibt es. Es gibt ein Rechtsgutachten der Bundes­regierung, das besagt, dass der Ausstieg nicht möglich wäre. Dieses Rechtsgutachten ist aber datiert vor dem Lissabon-Vertrag. Vor dem Lissabon-Vertrag wäre ein Ausstieg tatsächlich – da gebe ich all jenen recht, die sich darauf beziehen – nicht möglich gewesen. Der Lissabon-Vertrag sagt nun: Wir können aus dem EURATOM-Vertrag aussteigen, ohne gleichzeitig aus der Europäischen Union aussteigen zu müssen.

Ich darf Ihnen namhafte Vertreter nennen, die ein Rechtsgutachten zu diesem Thema erstellt haben: Universitätsprofessor Dr. Bernhard Wegener, Universitätsprofessor Dr. Geistlinger, Universitätsprofessor Dr. Rotter, Universitätsprofessor Dr. Waldemar Hummer und Universitätsprofessor Dr. Franz Leidenmühler – sie alle haben sich mit diesem Thema erst vor kurzer Zeit auseinandergesetzt und sie alle kommen zur Rechtsauffassung, dass ein Ausstieg möglich ist.

 


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