Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll123. Sitzung / Seite 98

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Unsere Position war relativ klar: Wer eine unbedingte Haftstrafe bekommt, wer ins Gefängnis muss, soll sein Amt jedenfalls verlieren.

Zweiter Punkt: Wer eine bedingte Haftstrafe bekommt, soll sein Amt dann verlieren, wenn die Haftstrafe über sechs Monate beträgt. Damit hätte man sozusagen kleinere Verurteilungen für Ersttäter ausgenommen.

Wir haben aber auch gesagt, es gibt bestimmte Deliktsgruppen, die das Vertrauen in die Politik derartig erschüttern, dass jede Verurteilung mit einem Amtsverlust enden muss. Man denke an Korruption, man denke an Wiederbetätigung, man denke an Amtsmissbrauch, auch an Wahlfälschung. Das sind alles Delikte, bei denen niemand versteht, dass ein verurteilter Politiker nachher hier noch im Parlament sitzt.

Wir haben verhandelt. Der SPÖ war unser Vorschlag zu scharf. Die SPÖ hat gesagt: Nein, das verstehen wir nicht. Wir finden, bei einer Haftstrafe von bis zu sechs Mona­ten, also einer Gefängnisstrafe, soll man schon noch Politiker bleiben dürfen. Und bei einer bedingten Haftstrafe, na ja, sagen wir, wäre die Grenze zwölf Monate. Was wir einsehen, es gibt gewisse Delikte wie Wiederbetätigung und Korruption, da wird das Vertrauen erschüttert. Da sollte bei einer Haftstrafe dann jedenfalls der Amtsverlust eintreten. – Okay. Damit waren wir nicht glücklich.

Dann ist die FPÖ gekommen. Die FPÖ hat gesagt: Nein, also das geht nicht. Bei Wiederbetätigung, bei Amtsmissbrauch, bei Korruption jedenfalls ein Amtsverlust: Nicht mit uns! Wir gehen dann mit, wenn bei einer Haftstrafe von über sechs Monaten und bei einer bedingten Gefängnisstrafe von zwölf Monaten das Amt verloren geht. – So, damit waren sich SPÖ und FPÖ schnell einig.

Der ÖVP ist dann nichts anderes übrig geblieben, damit es überhaupt zu einer Änderung kommt, das mit Zweidrittelmehrheit mitzutragen. Aber im Ergebnis bedeutet das: Wenn ein Politiker zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird und diese Gefängnis­strafe unter sechs Monaten ist, dann darf er weiter sein Amt ausüben. Das heißt, dann darf er aus dem Gefängnis mit Fußfesseln, Freigang, hier ins Hohe Haus spazieren und über Gesetze abstimmen. Wiederbetätiger, Korruptionisten, Amtsmissbraucher, Wahlfälscher – sie alle können, wenn die Rücktrittskultur nicht funktionieren wird, hier weiter Platz nehmen, weil FPÖ und SPÖ nicht einsehen wollen, dass das das Ver­trauen in die Demokratie und in die Politik schädigt.

Ja, es stimmt schon: Die Rücktrittskultur sollte früher greifen – keine Frage. Wir machen hier aber Gesetze für den Fall, dass die Rücktrittskultur nicht greift und irgendjemand glaubt, er kann trotz einer strafrechtlichen Verurteilung weiter hier im Parlament sitzen.

Was wird das Ergebnis sein? – Jede Partei, die ein Mindestmaß an Anstand hat, wird sich von solchen Personen trennen – mit dem Ergebnis, dass wir hier dann „wilde“ Abgeordnete sitzen haben, die möglicherweise wegen Wahlfälschung, Wiederbetäti­gung oder sonst etwas verurteilt oder möglicherweise sogar, wenn es besonders skurril wird, in Haft sind und die BürgerInnen draußen den Respekt vor dem Parlament verlieren, weil sie das nicht nachvollziehen können.

Sie werden hier am Rednerpult noch die interessantesten Beispiele dafür hören, warum das alles nicht geht. Die FPÖ argumentiert: Ja, früher war Homosexualität verboten, und jetzt sieht man das anders, und solche Leute hätten nicht in der Politik sein dürfen! – Also erstens: Wenn die FPÖ ein Beispiel bringt, in dem Homosexuelle vorkommen, dann ist das schon einmal ungewöhnlich; wenn dann mit einem Delikt argumentiert wird, das schon abgeschafft wurde, wird es aber besonders skurril, und das zeigt, dass das äußerst konstruiert ist.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite