eine Reihe von Maßnahmen ergreifen kann, um den Zustrom von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen zahlenmäßig zu beschränken. So könnte Österreich – in Übereinstimmung mit den völker- und unionsrechtlich garantierten Grundrechten – nur noch jene Anträge auf internationalen Schutz behandeln, deren Antragsteller andernfalls Gefahr liefen, in einem der einschlägigen Grundrechte verletzt zu werden. Dazu gehören in erster Linie das Folterverbot (Art 3 EMRK/Art 4 GRC), das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK/Art 7 GRC) sowie das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (Art 13 EMRK/Art 47 GRC). Alle anderen Antragsteller könnten in sichere (Dritt-)Staaten aus- oder zurückgewiesen werden. Von der unionsrechtlichen Pflicht zur Prüfung jedes Antrags auf internationalen Schutz, den Drittstaatsangehörige oder Staatenlose im Hoheitsgebiet Österreichs einschließlich an der Grenze und in Transitzonen stellen, kann Österreich gemäß Art 72 AEUV (…) nur abweichen, sofern und soweit dies aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und/oder des Schutzes der inneren Sicherheit erforderlich ist. (…).“
Unionsrechtliche Grundlagen der Asyl- und Einwanderungspolitik
Nach Art. 77 ff. AEUV zählt die Asyl- und Einwanderungspolitik zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR), dessen Errichtung Aufgabe der Europäischen Union (EU) ist. Es handelt sich hierbei um einen Bereich, in welchem sich die Union die Zuständigkeit gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. j AEUV mit den Mitgliedsstaaten teilt. Bei der geteilten Zuständigkeit ist es sowohl der Union als auch den Mitgliedstaaten gestattet, gesetzgeberisch tätig zu werden und verbindliche Rechtsakte zu erlassen. Allerdings sieht Art. 2 Abs. 2 AEUV vor, dass die Mitgliedstaaten nur dann aktiv werden können, sofern und soweit die Union in diesem Bereich nicht tätig wird. Der Union kommt hinsichtlich des RFSR demnach eine vorrangige Gesetzgebungskompetenz zu. Da die Union von der geteilten Zuständigkeit – wie nachstehend erörtert – Gebrauch gemacht hat, tritt für die Mitgliedstaaten eine Sperrwirkung ein. Diese gilt jedoch dann nicht, wenn die Union die ihr zustehende Kompetenz nicht ausreichend wahrnimmt (siehe vgl. z.B. Dougan, European Law Review [2003], „The Convention’s Draft Constitutional Treaty: Bringing Europe closer to its lawyers?“, 763, 769).
Zentrale Kompetenznorm im Hinblick auf die Asylpolitik ist Art. 78 AEUV, wonach die Union „eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden soll,“ entwickelt. Explizit festgehalten ist, dass diese gemeinsame Politik mit der GFK, dem Protokoll von 1967 sowie anderen einschlägigen Verträgen im Einklang stehen muss. Die konkrete Ausgestaltung einer gemeinsamen Asylpolitik obliegt dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union (im Folgenden „der Rat“), welche „gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen in Bezug auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem“ erlassen (Art. 78 Abs. 2 AEUV). Im Rahmen dieser Gesetzgebungstätigkeit wurden somit die für den Asylbereich einschlägigen sekundärrechtlichen Rechtsakte (Verordnungen und Richtlinien wie etwa die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. Nr. L 180 vom 29. Juni 2013 S. 31 (nachfolgend „Dublin-III-VO“), die Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) (nachfolgend „Status-RL“), die Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die
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