Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll123. Sitzung / Seite 143

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bis Ende September 2015 wurden in Österreich mit 8,5 Millionen Einwohnern mehr Asylanträge gestellt als in 17 anderen EU-Mitgliedstaaten zusammen mit insgesamt 160 Millionen – und damit 20 Mal so vielen – Einwohnern.

Rund 72% (63.651) der Asylanträge wurden im Jahr 2015 von Staatsangehörigen aus Afghanistan, Syrien und dem Irak gestellt (Quelle: Asylstatistik des BMI). Der Großteil der Asylantragsteller kommt somit aus Bürgerkriegsgebieten. Dies ist mit Blick auf zukünftige Entwicklungen nicht unerheblich, da es sich hierbei um Herkunftsstaaten mit einer verhältnismäßig hohen Asylanerkennungswahrscheinlichkeit handelt. Da der Zustrom aus den Bürgerkriegsgebieten ungebrochen ist, muss davon ausgegangen werden, dass die Asylantragszahlen auch im Jahr 2016 nicht rückläufig sein werden. Selbst wenn zu Beginn des Jahres 2016 ein wetterbedingter Rückgang an Asyl­antragszahlen im Vergleich zu den Monaten davor zu verzeichnen war, zeigt der Vergleich der Zahlen der Anfangsmonate der Jahre 2015 und 2016, dass diese heuer deutlich höher liegen. Während im Jänner und Februar 2015 4.129 bzw. 3.283 Asylanträge gestellt wurden, waren es im selben Zeitraum des Jahres 2016 bereits 5.928 bzw. 5.055 (Quelle: Asylstatistik des BMI). Aus diesem Blickwinkel ist daher die Prognose einer gleichbleibenden oder sogar noch stärkeren Zuwanderung wie der des Jahres 2015 für das Jahr 2016 gerechtfertigt.

Eine realistische Einschätzung der künftigen Entwicklungen lässt erwarten, dass Öster­reich nicht zuletzt auf Grund der mangelnden Solidarität in Asylangelegenheiten und des schwachen Bekenntnisses zu den gemeinsamen Werten der EU von Seiten vieler EU-Mitgliedstaaten auch weiterhin einen unverhältnismäßigen Anteil an der Last der Asylkrise zu tragen hätte. Aus derzeitiger Sicht erschiene bei fortlaufender Entwicklung (wie der des Jahres 2015) eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen sehr wahrscheinlich und bestünde daher die Gefahr, dass der öster­reichi­sche Staat vor nicht zu bewältigende Herausforderungen gestellt wird. Betroffen wären in erster Linie das gesamte Asylsystem und der Bereich der Grundversorgung, wobei ersteres einer besonders kritischen Betrachtung unterzogen werden muss. Denn ein erneuter Zustrom an Schutzsuchenden in einem mit jenem des Jahres 2015 vergleichbaren Ausmaß würde den bereits bestehenden „Rückstau“ an Asylverfahren erheblich verstärken. Seit Beginn des Jahres 2015, als bereits 31.000 offene Asylver­fahren verzeichnet wurden, hat sich die Anzahl der offenen Verfahren im Laufe des Jahres noch mehr als verdoppelt. Aktuell (Stand: Ende Februar 2016) zählt man in beiden Instanzen rund 80.000 offene Asylverfahren. Dies entspricht einem Anstieg von 160% (Quelle: Asylstatistik des BMI). Eine Abarbeitung der Verfahren würde daher selbst bei unverzüglicher und weit darüber hinausgehender Personalaufstockung über Jahre hinaus nicht mehr möglich sein.

Eine kontinuierliche Stellung von 90.000 bis 100.000 – oder mehr – Asylanträgen pro Jahr würde unweigerlich zu großen systemischen Auswirkungen im gesamten Asyl­bereich selbst führen. Damit würde auch die aktuell für das Bundesamt geplante Aufstockung auf 1.426 Mitarbeiter bei weitem nicht ausreichend sein. Erfahrungen der jüngsten Zeit haben gezeigt, dass selbst bei besten Prozessen von der Entscheidung zur Aufnahme zusätzlichen Personals bis zu dessen effektivem Einsatz in Verfahren vier Monate für die Auswahl und vier Monate für die Ausbildung, gesamt also acht Monate, vergehen. In dieser Zeit muss das Entstehen weiterer Rückstände in Kauf genommen werden, sodass keine Behörde – es sei denn, man stattet sie auf bloßen Verdacht (und sohin wider jeglicher haushaltsrechtlicher Grundsätze) mit mehr Personal aus, als an sich (aus einer konventionellen Trendanalyse angenommen) nötig – in der Abarbeitung der Rückstände jemals ihr Ziel erreichen kann. Gleiches gilt für nachfolgende gerichtliche Prüfinstanzen.

 


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