Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll123. Sitzung / Seite 198

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heutigen Gesetzesbeschluss anders, weil das Notverordnungsrecht – beispiellos in der österreichischen Verfassung – die Bundesregierung ermächtigt, Gesetze, die Sache des Parlaments sind, abzuändern.

Das ist ein Dammbruch, der beispiellos ist, und der unsere Verfassung in der Struktur, wie wir sie kennen, verwüstet, möchte ich fast sagen, weil es ein Grundprinzip ist, dass die Legislative für Gesetze zuständig ist und nicht die österreichische Bundes­regie-rung. Das ist ein Sündenfall, der die Büchse der Pandora – so sagt man in der histo-rischen Sage – öffnet, die weitere Beispiele wird folgen lassen.

Was ist, wenn wir in einer Wirtschaftskrise sind? Was spricht dann gegen ein Notver-ordnungsrecht, das möglicherweise Arbeiterrechte aussetzt, liebe Sozialdemo-kratIn­nen? (Zwischenruf des Abg. Pendl.– Das kann man mit der gleichen Argumentation befürworten. Einen Ausnahmezustand, der Verfahrensgarantien, wie wir sie aus unse-ren Verfassungen kennen, aushebelt, all das ist in dieser Logik, die die österreichische Sozialdemokratie heute mitbeschließt, möglich.

Dass das ein einzigartiger Sündenfall ist, der rechtsstaatlich hochproblematisch ist, sagt fast jede Stellungnahme im Begutachtungsverfahren:

Die Rechtsanwaltskammer: Es werden „Mindestgarantien moderner Rechtsstaaten für eine ganze Gruppe von Menschen außer Kraft gesetzt“.

Die Richtervereinigung: „Durch den vorliegenden Entwurf wird der Zugang zum Recht, also das zentrale Grundrecht eines Rechtsstaates erschwert, wenn nicht sogar einge­schränkt.“

Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte: „(…) ist aus demokratiepolitischer und rechtsstaatlicher Sicht höchst bedenklich.“

Ich könnte weitere Kommentare vorlesen; Sie kennen das und ignorieren das. Eines sei Ihnen gesagt: Wer am Rechtsstaat zu schrauben beginnt, der schraubt auch an der Demokratie. Der Rechtsstaat ist die andere Seite der Demokratie. (Abg. Rädler: Das wissen Sie ganz genau!) Wenn Sie den Rechtsstaat nicht ernst nehmen, dann nehmen Sie die Demokratie nicht ernst.

Kollegin Lueger – die ich eigentlich sehr schätze; wir haben in vielen Punkten auch immer wieder gemeinsam Diskussionen geführt – hat hier am Rednerpult im Grunde fast ein Geständnis darüber abgelegt, wie es eine österreichische Politikerin mit der Verfassung hält. Sie sagt, im deutschen Grundrecht, im Grundgesetz, ist die Möglich­keit festgeschrieben, dass das Asylrecht eingeschränkt wird, und sie sagt dann, dass es dann nicht falsch sein kann, wenn wir das Gleiche in einer Verordnung tun. – Das zeigt genau, wie wenig Sensibilität es gibt. Eine Verordnung ist eben verfassungs-widrig, wenn sie etwas vorsieht, was die Verfassung nicht deckt, und das ist genau Ihr Problem, dass Sie jede Sensibilität vermissen lassen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Lueger und Weninger.)

Zweiter Punkt: 100 000 Menschen sind nach Österreich gekommen. Das ist eine große Herausforderung, das ist keine Frage, und das habe ich immer wieder gesagt, und das haben viele andere gesagt. 100 000 Menschen in Österreich zu integrieren, das ist die große Aufgabe, die jetzt auf uns wartet.

Aber ich verstehe nicht, warum man mit diesem Gesetz und Asyl auf Zeit genau das Gegenteil macht. Nach drei Jahren könnte der Asylstatus verloren gehen. (Abg. Hübner: Na und!) Das Ganze erschwert in Wirklichkeit bei einer Gruppe von syrischen Flüchtlingen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent in drei Jahren nicht nach Syrien werden zurückgehen können, nur die Integration.

 


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