Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll126. Sitzung / Seite 50

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Der zweite Punkt, der dazukommt, ist, dass man das Suchtmittelgesetz so geändert hat, dass, wenn jemand mit Kleinstmengen von Drogen aufgegriffen wird und er sagt, er braucht das für den Eigenbedarf, nicht mehr automatisch eine Anzeige stattfindet, son­dern dass er dann, wenn er kooperativ ist, mit den Gesundheitsbehörden zusammen­arbeiten kann.

Daraufhin haben uns Richter, Staatsanwälte, aber vor allem jene Polizisten, die im Dro­genbereich zu tun haben, die Tür eingerannt und haben gesagt: Bitte, das ist eine ganz schlechte Regelung, damit werden wir das Problem insbesondere auf der Straße, aber vor allem im Drogenbereich überhaupt nicht mehr bekämpfen können! – Und schlagar­tig, mit Anfang dieses Jahres, hat man das Ergebnis gemerkt.

Schlagartig hat die Drogenszene – insbesondere auf der Straße – ganz massiv zuge­nommen, weil Drogenkriminelle üblicherweise sehr gut informiert sind. Die haben ge­nau gewusst: Na, ab 1. Jänner kann uns in Wirklichkeit nichts mehr passieren, denn zwei Vortaten kann uns keiner nachweisen! – Wir reden hier ja auch weitgehend von Kriminaltourismus. Der Kriminelle ist unter Umständen gar nicht im Land: Er begeht seine Tat, dann ist er vielleicht wieder ein paar Monate weg! Jedenfalls wusste man im Kriminaltourismus und vor allem wusste auch der Drogenhandel: Ab 1. Jänner geht es uns besser.

Und prompt hat man das Ergebnis bemerkt – es ist ja auch durch alle Medien gegan­gen –: Entlang der U6, aber auch an anderen Punkten in dieser Stadt, aber natürlich auch in anderen Städten (Ruf: Wien, Hamburg, …!), also überall, in Wirklichkeit in allen Ballungszentren, hat man sofort erkannt, wie das zugenommen hat. Wir haben dann die Medienberichte gesehen: Zum Beispiel hat sich auch der grüne Bezirksvorsteher Blimlinger an der U6-Station abbilden lassen und darauf hingewiesen, welche Katastro­phe das ist, was sich dort jetzt abspielt.

Jetzt konnte man aber von Regierungsseite und vonseiten der Regierungsfraktionen na­türlich nicht zugeben, dass das ein Fehler war, dass man mit diesen gesetzlichen Rege­lungen die Drogenszene in Wirklichkeit befeuert hat, dass man sie unterstützt hat, dass man den Kriminaltourismus noch angeheizt hat. Das konnte man nicht zugeben.

Was macht man also? – Eine neue Regelung muss her! Gehen wir halt ins Suchtmittel­gesetz! – Dort wird also jetzt eine neue Regelung getroffen, indem man sagt, es geht nur darum, dass es in der öffentlichen Wahrnehmung so unangenehm ist, wenn so vie­le Drogendealer herumlaufen, die man nicht entfernen kann, also muss das Ganze in den privaten Bereich verlagert werden. Daher gibt es jetzt den Vorschlag, über den wir heute diskutieren, dass das Drogendealen im öffentlichen Raum besonders unter Stra­fe gestellt werden soll.

Die Formulierungen sind sehr hinterfragenswert – ich darf das nur kurz vorlesen –:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist zu bestrafen, wer (…) an einem allgemein zu­gänglichen Ort öffentlich oder unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, Suchtgift“ ver­kauft und so weiter.

Ja, also was heißt das jetzt? – Öffentlicher Bereich, Stiegenhaus, Hauseingang: Ein Haus­eingang ist privat, aber es ist vielleicht noch öffentlich wahrnehmbar. Aber was heißt „öffentlich“ wahrnehmbar? – Konkret müssen es zehn Personen sehen. Wenn die nicht hinschauen, wird es dann noch öffentlich wahrgenommen? Ja, es ist vielleicht wahr­nehmbar. Wie ist es im Stiegenhaus drinnen?

Was heißt überhaupt „durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis (…) er­regen“? – Was ist, wenn das kein Ärgernis erregt, weil die das so dezent machen? Was ist, wenn der Vorsatz des Drogendealers nicht darauf abzielt, das in der Öffent­lichkeit zu machen, wenn er glaubt und auch annehmen darf, dass er dabei nicht gese-


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