Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll136. Sitzung / Seite 48

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Frage ist: Warum ist das so? Der Grund ist ganz einfach: weil unser Schulsystem in einer Zeit steckengeblieben ist, als man noch keine Ahnung hatte, wie Kinder lernen, als man nicht wusste, wie man die Begeisterung für das Lernen erhält. Das ist das Pro­blem, das wir haben!

Und weil Sie, Frau Minister, heute hier gesagt haben: Welcher Lehrer ist der bessere: der Lehrer, der ein Kind, das 12 Klimmzüge schafft, dazu bringt, 24 Klimmzüge zu schaf­fen, oder der Lehrer, der ein Kind, das 56 Klimmzüge gemacht hat, dazu bringt, 60 zu schaffen? Ich kann Ihnen die Antwort darauf geben: Es sind beide Lehrer schlecht, und zwar deshalb, weil es ganz viele Kinder gibt, die nicht einen einzigen Klimmzug schaf­fen. Da ist das Problem! Dorthin muss man die Aufmerksamkeit lenken.

Genau das gleiche Problem haben wir in unserem Bildungssystem, nämlich: Ein Viertel der Schüler können nicht lesen und schreiben. Und angesichts dessen sprechen Sie von Höchstleistungen, sprechen Sie davon, dass man möglicherweise ein Kind dazu bringt, 56 oder 60 Klimmzüge zu machen?! Das sollte nicht im Fokus sein! Im Fokus des Sport­unterrichts, um Ihr Beispiel aufzugreifen, sollte sein, dass man eine gewisse Grundfit­ness bei den Kindern schafft, Vielseitigkeit fördert. Das ist das, was wichtig ist, und nicht irgendwelche Höchstleistungen, gerade im sportlichen Bereich! Deshalb sollten wir über die Lehrer sprechen. Wir sollten über die Frage sprechen: Wo haben wir gute Lehrer, und was ist ein guter Lehrer?

Ich kann Ihnen sagen, wie es in unserem Bildungssystem funktioniert, nämlich wenn Sie als Kind eine Leseschwäche haben und möglicherweise schlecht auswendig lernen können, aber möglicherweise auf der anderen Seite unglaublich begabt sind, etwa in Ma­thematik und in Technik, dann haben Sie schlechte Karten in unserem System, denn ge­rade in der Grundstufe ist es ganz wichtig, dass man eben gut lesen kann und auswen­dig lernen kann. Wenn man das nicht kann, dann hat man in unserem System ein Pro­blem.

Jetzt kommen wir auf die Lehrer zu sprechen. – Die Frage ist: Haben wir gute Lehrer? Diese Frage ist folgendermaßen zu beantworten: Ja, wir haben gute Lehrer, aber leider nicht durchgängig! Wir haben auch Lehrer, die das Lernen und Verstehen auf die El­tern auslagern. Das heißt, es gibt Lehrer, die stehen vor der Klasse, machen dort ihr Programm und interessieren sich überhaupt nicht darum, ob die Kinder das, was da ab­geht, auch tatsächlich mitbekommen.

Ich habe einmal einen Lehrer darauf angesprochen, habe ihm gesagt: Machen Sie ein­mal am Ende eines Unterrichts einen kleinen Test, bei welchem Sie herausfinden, was die Kinder aus Ihrem Unterricht mitgenommen haben! Wissen Sie, was der gesagt hat? – Der hat gesagt: Das kann ich deshalb nicht machen, weil ich nicht die Zeit habe, darauf einzugehen, ob die Schüler etwas mitbekommen haben oder nicht! Die müssen das zu Hause aufarbeiten! – Genau da sind wir beim Problem!

Nach dem Unterricht gehen die Kinder nach Hause, und da ist dann die Frage: Was für Eltern sitzen zu Hause? Sind es Eltern, die die notwendigen finanziellen Mittel haben, um vielleicht eine Nachhilfe zu organisieren? Sind es Eltern, die sich tatsächlich die Mü­he machen, zu fragen: Hast du eine Hausübung? Musst du etwas lernen? Gibt es ir­gendwelche Prüfungen? Hast du etwas nicht verstanden? Oder sind es Eltern, die nach Hause kommen und von ihrer Arbeit so geschafft sind, dass sie die dafür notwendige Energie nicht mehr aufbringen?

Genau da haben wir das Problem in unserem System! Und da kommt jenes Kind zum Handkuss, das möglicherweise unglaublich begabt ist, das möglicherweise in bestimm­ten Fächern sehr begabt ist, das aber nicht Eltern hat, die richtig mit dem Schulkind um­gehen. So ein Kind bleibt in unserem System auf der Strecke, weil der Lehrer oder die Lehrerin keinen Wert darauf legen kann, ob die Schüler vom Unterricht tatsächlich et­was mitnehmen. – Das ist das Problem, das wir in unserem Schulsystem haben!

 


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