Wirtschaftsgazetten von Bedeutung ist, sondern das hat dazu geführt, dass sich die Volkswirtschaft Großbritanniens innerhalb einer Woche von Platz 5 weltweit auf Platz 7 zurückversetzt sieht. Das hat zur Folge, dass die Guthaben der Sparer entwertet werden, das hat zur Folge, dass die Inflation letztendlich steigen und auch das wieder auf dem Rücken derjenigen ausgetragen werden wird, die es sich wahrscheinlich am wenigsten leisten können.
Sie haben wahrscheinlich auch verfolgt, wie die Reaktion der großen Unternehmen gewesen ist. Insbesondere die Banken haben bereits angekündigt, sich neue Standorte zu suchen. Sie haben Großunternehmen wie Fiat oder Siemens erlebt, die angekündigt haben, in Zukunft nicht mehr in Großbritannien investieren zu wollen. Ich weiß, dass das zum jetzigen Zeitpunkt natürlich erst einer weiteren Bewertung unterzogen werden muss, aber da entsteht eine Stimmung, ein Cocktail, der die britische Volkswirtschaft nachhaltig betreffen wird.
Es ist noch eine Beobachtung, die man mit Interesse verfolgen kann: dass wir eine Kampagne erlebt haben, die sich nicht immer an Sachargumenten orientiert hat, dass es eine Kampagne der populistischen Zuspitzung gewesen ist, sich aber bemerkenswerterweise jene, die einfache Lösungen versprochen haben, jene, die so glasklar und einfach die Sündenböcke benennen konnten, heute vom Acker gemacht haben. Das ist ein bisschen das Bild einer politischen Klasse, die den Wagen gegen die Wand gefahren und danach gemeint hat: Da habt ihr die Schlüssel zurück! Ausbaden werden das, was da passiert ist, nicht die Eliten, sondern ausbaden werden es jene Menschen, die hart arbeiten und die es sich am wenigsten erlauben können.
Wenn man aber analysiert, was da passiert ist, dann muss man sagen, das hat einige britische Spezifika, das ist unzweifelhaft auch in der Geschichte Großbritanniens angelegt, in seiner Haltung zur EU, aber zweifellos auch dem Umstand geschuldet, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten eine sehr kritische, fast schon ans Unfaire grenzende Auseinandersetzung mit europäischen Themen in Großbritannien erlebt haben. Und eine der Lehren, die man ziehen kann, ist, dass es nun einmal nicht reicht, wenn man das ein Jahrzehnt betrieben hat, vielleicht noch länger, in drei Monaten zu versuchen, für ein richtiges, wichtiges Zukunftsprojekt die Stimmung zu drehen.
Es ist aber auch – und ich denke, auch das muss man konstatieren – nicht nur Ausdruck dessen, dass es Skepsis und Kritik am europäischen Projekt gegeben hat, sondern wahrscheinlich auch so etwas wie ein allgemeiner Verdruss am politischen System schlechthin. Wir kennen dieses Phänomen, weil das nicht nur in Großbritannien eine Rolle spielt, sondern wir erleben das in vielen europäischen Hauptstädten in diesen Tagen. Und deshalb, denke ich, sind wir gut beraten, nicht mit dem nackten Finger auf Großbritannien zu zeigen und uns darüber zu wundern, wie man so weit kommen konnte, sondern die Frage zu stellen, ob wir in den europäischen Hauptstädten, die ja integraler und entscheidender aufbauender Teil der Europäischen Union sind, nicht auch vor unserer eigenen Tür kehren müssen.
Worauf ich anspiele, ist eine politische Diskussion, in der immer wieder sehr schnell, und manchmal auch ohne zu reflektieren, die Europäische Kommission zum allgemeinen Sündenbock gemacht wird. Was wir erlebt haben, ist, dass wir oft politische Schuldzuweisungen in Richtung Brüssel gesehen haben – in Fragestellungen und in Materien, wofür Brüssel eigentlich gar keine Kompetenz hat, es zu regeln, jedenfalls nicht die EU-Kommission, sondern die ganz klar in die Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten, die den Europäischen Rat konstituieren, fallen.
Ein Beispiel, das wir alle gut kennen – und gerade in diesen Tagen, denke ich, macht es Sinn, darauf hinzuweisen –: Migrationspolitik, eine der großen europäischen Fragen, die nur gemeinsam zu lösen sind. Es ist aber wahrscheinlich eine wirklich inakzeptable Haltung, die Fortschritte und das Versagen der Europäischen Union zu beklagen, wie das in
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