Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll136. Sitzung / Seite 105

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Diese Anarchie ist das Ergebnis, wenn rechtspopulistische Hetzer und Zündler wie Ni­gel Farage oder Boris Johnson am Werk sind. Und dann, wenn es so weit ist, wenn der Brexit tatsächlich da ist, stehlen sie sich aus der Verantwortung, sofern diese Herren überhaupt wissen, was Verantwortung ist. Verantwortung ist für sie offensichtlich doch ein Fremdwort. Und wenn ich hier in die Reihen der ÖVP schaue, dann sehe ich, dass Kickl und Strache offensichtlich auch schon auf der Flucht vor der Verantwortung sind. (Abg. Pirklhuber: Absolut! Sind abgehauen!) Ist ja niemand da. Wo sind sie denn? (Abg. Tamandl: Wir sind die ÖVP! – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Frau Glawischnig ist auch nicht da!)

Mit dem Brexit, sagen viele Kommentatoren, hat die europäische Idee gelitten. – Ja, das ist schon richtig. Aber sie vergessen freilich, dass die neoliberale Ideologie der eu­ropäischen Idee schon seit Jahren sehr schweren Schaden zugefügt hat – seit Jahren schon. Die politischen Eliten Europas übernahmen diese Ideologie und forcierten zum Teil skrupellos – Beispiel Griechenland – eine Politik, die entscheidend zum Brexit bei­getragen hat; ich sage nicht ausschließlich, aber ich sage entscheidend.

Beginnen wir am Anfang: Der gemeinsame Markt, der Binnenmarkt, der im Zentrum die­ser Politik stand, hat der EU das Tor zur Globalisierung geöffnet. Das ist prinzipiell nichts Schlechtes und auch richtig. Aber diese Globalisierung hat natürlich auch Globalisie­rungsverlierer hervorgebracht, und gegen diese Globalisierungsverlierer haben die po­litischen Eliten nichts unternommen. Sie haben gesagt: Das ist die Aufgabe der Natio­nalstaaten!, und sie haben sich im Übrigen um die Währungsunion, die Wirtschaftsuni­on und dann in späterer Folge um die Bankenunion gekümmert. Aber eine soziale Uni­on war ihnen ebenso wenig ein Anliegen wie die gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen, die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit oder gar die Bekämpfung von Steuer­flucht, Steuerdumping oder das Schließen von Steueroasen.

Hinzu kam, dass, da nun die Verantwortung für den Ausgleich den Nationalstaaten über­lassen war, die Nationalstaaten das gar nicht bewältigen konnten, weil ihnen durch ei­ne Austeritätspolitik – sehr scharf im Übrigen – seit dem Jahr 2010 die Hände gebun­den waren. Diese Austeritätspolitik hat das Elend der Globalisierungsverlierer noch ein­mal verschärft – durch Kürzungen bei den Sozialleistungen und dergleichen mehr. Die­ser Sparkurs in Europa hat dann noch zu einer dauerhaften Stagnation geführt, zu ei­ner Erhöhung der Arbeitslosigkeit, und wiederum waren es die Globalisierungsverlierer, die in erster Linie von dieser Politik der Europäischen Union betroffen gewesen sind. Es ist daher kein Wunder, dass sich die Menschen in der Europäischen Union von die­sen Institutionen und den politischen Eliten abwenden und den rechtspopulistischen Het­zern und Zündlern auf den Leim gehen.

Wenn wir Wahlanalysen in Großbritannien anschauen, was sehen wir dann? – Dann sehen wir, dass Regionen, in denen Arbeiter und die untere Mittelklasse leben, für den Brexit gestimmt haben. Dort, wo die Einkommen hoch sind, in London, der City of Lon­don, dem Herzen des Finanzzentrums, wurde für den Verbleib in der Europäischen Uni­on gestimmt. Und wer werden die Verlierer dieses Brexit sein? – Genau jene, die für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt haben – das scheint paradox zu sein, ist aber so –, und nicht jene, die in der City of London, dem Zentrum des Finanz­zentrums, arbeiten. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.) Na, da werden sie noch schön schauen!

Warum macht denn der englische Finanzminister jetzt eine Ankündigung (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm), indem er sagt: Senken wir die Körperschaftsteuern von 20 auf 10 Prozent, um Unternehmen im Land zu behalten, die jetzt angekündigt haben, abzu­wandern? – Das ist ein klares Indiz, und es ist kein Zufall, warum das so ist.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Austeritätspolitik auch von Strukturreformen begleitet war. Und Strukturreformen heißt immer: Der Mensch muss flexibel sein. Übersetzen


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