Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll136. Sitzung / Seite 147

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Sie wissen aber auch, wenn Sie sich die Entwicklung der Bedarfsorientierten Mindest­sicherung in den letzten Jahren ansehen und wenn Sie sich auch die Menschen anse­hen, die die Bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen: Die Menschen haben sich verändert, die BezieherInnen haben sich verändert. Heute beziehen Menschen die Be­darfsorientierte Mindestsicherung, die sich vor fünf, sechs, sieben Jahren vielleicht noch gar nicht gedacht hätten, jemals in diese Situation kommen zu müssen – ich sage jetzt ganz bewusst: müssen.

Wirtschaftskrise, Finanzkrise, aber auch – und das auch in Richtung ÖVP – nicht exis­tenzsichernde Arbeitseinkommen, nicht existenzsichernde Jobs führen dazu, dass im­mer mehr Menschen Bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen müssen. Es sind auch immer mehr psychisch und physisch erkrankte Menschen unter den Bezieherin­nen und Beziehern der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Und da wollen Sie strei­chen! Denken Sie einmal darüber nach, Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP! (Bei­fall bei SPÖ und Grünen.)

Ja, es stimmt, es sind auch Asylberechtigte unter den Bezieherinnen und Beziehern der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, aber das sind Menschen, die nach Österreich kom­men mit nichts als einem Plastiksackerl, und ich denke, Österreich hat die Verpflichtung, diesen Menschen auch für eine gewisse Zeit zu helfen. Glauben Sie mir, viele Men­schen, die in Österreich asylberechtigt sind, würden gerne arbeiten, aber im Moment ist es am Arbeitsmarkt eben besonders schwer für Menschen, die bei uns Schutz ge­sucht haben! (Zwischenruf des Abg. Rädler. – Abg. Glawischnig-Piesczek: Frau Prä­sidentin, der macht seinen 20. Zwischenruf! Kann man da bitte etwas tun als Vorsitzfüh­rende?)

Die Menschen, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen – da müssen Sie mir sicher recht geben, Herr Kollege Rädler, wenn Sie schon Bürgermeister sind –, sind meis­tens schuldlos in dieser schwierigen Situation. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Diese Situation ist finanziell sehr schwierig für viele Menschen, sie ist aber auch menschlich schwierig. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Loacker.) Diese Situation ist sozial schwierig, und Sie wissen das genauso gut wie alle anderen Kolleginnen und Kol­legen hier im Saal: Armut macht krank! Armut grenzt aus, Armut verhindert Teilhabe an unserem gesellschaftlichen Leben. Und ich denke, die Politik hat die Verpflichtung, Herr Kollege Rädler, dagegenzuhalten und die Gesellschaft nicht zu spalten, sondern in der Gesellschaft einen Zusammenhalt, auch mittels Gesetzen, zu ermöglichen.

Der Herr Minister sagt es immer wieder: Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist das letzte soziale Auffangnetz in Österreich, sie ist das Auffangnetz, das Menschen vor Ob­dachlosigkeit schützen soll, vor Hunger schützen soll. Wenn wir jetzt beginnen, in den einzelnen Bundesländern einen Wettbewerb nach unten anzukurbeln, dann appelliere ich an Sie alle, die hier Verantwortung tragen, und auch in den Ländern: Hören wir auf damit! Überlegen wir, wie wir dieses letzte Absicherungsnetz in Österreich fit machen kön­nen, wie wir es auch gerecht machen können, wie wir auch den Abstand zu den Erwerbs­einkommen vermindern, da gebe ich den Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP recht. Aber so, wie Kollegin Schwentner gesagt hat: Nicht die Mindestsicherung kürzen, die liegt nämlich 16 Prozent unter der Ausgleichszulage und 30 Prozent unter der SILC-Ar­mutsschwelle; das muss man auch einmal bedenken! Sorgen wir stattdessen gemein­sam dafür, dass es in Österreich für alle Menschen, die Vollzeit arbeiten, ein Mindestein­kommen von 1 700 € brutto gibt! (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm.)

Dann hätten wir auch den Abstand verringert, Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und auch von der Freiheitlichen Partei, weil ich mir schon denke – und ich erlebe das in meinem Alltag –: Menschen möchten in der Gesellschaft etwas beitragen. Wir haben eine Gesellschaft, die sich noch immer sehr stark über den Wert der Arbeit definiert, und viele Menschen, die Bezieherinnen oder Bezieher der Bedarfsorientierten Mindest-


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