Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll150. Sitzung / Seite 56

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11.06.50

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Im Gegensatz zu meinem Vorredner halte ich es für höchst relevant, dass die Europäische Union sich zu mehr Gemeinsamkeiten und zu mehr gemeinsamen Äußerungen, nämlich zu einer Stimme, durchringen kann. Der aktuelle Anlass ist jedenfalls auch die Türkei-Frage. Ich vermisse es nachdrücklich, dass es da keine schärfere und auch offensivere Aussage der Europäischen Union gibt. In solchen Fragen ist es höchst relevant, dass sich die 27 oder 28 Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Vorgehen und auch zu Konsequenzen zusammenfinden. (Beifall bei den Grünen.)

Und das ist eigentlich meine Kritik beziehungsweise unsere Kritik, dass der Zustand der Europäischen Union, was die gemeinsamen Sichtweisen, die gemeinsamen Aktionen, die gemeinsamen Vorgangsweisen betrifft, eben nicht zufriedenstellend ist. Und schuld daran sind eben die einzelnen Politiken der Mitgliedstaaten. Warum ist es nicht möglich, klare Worte zu den Menschenrechts- und Grundrechtsverletzungen in der Türkei zu finden, auch Konsequenzen in dem Sinn, dass die Beitrittsverhandlungen tatsächlich nun formell auf Eis gelegt werden, zu ziehen und auch die Gelder, die für die Annäherung an die Europäische Union gedacht sind, zu stoppen. (Abg. Kogler: Schandgeld! – Abg. Lugar: Machen wir wirtschaftliche Sanktionen!) Das würde ich mir von einer gemeinsamen europäischen Politik wünschen. Und ich würde mir von der österreichischen Bundesregierung auch wünschen, dass sie das in den nächsten Wochen dort ganz massiv einbringt. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, Herr Kollege Strolz, die Leistungen der Geschichte, die Verweise auf die blutige Geschichte und auch die Warnung vor einem bedrohlichen Rückfall sind absolut richtig und wichtig. Das ist absolut berechtigt. In vielen Ländern sind Rechtspopulisten auf dem Vormarsch, die eben genau diesen Text sprechen, die sagen: Wir brauchen keine Zentralregierung, wir brauchen keine gemeinsame Vorgangsweise, das ist eine Ent­rechtung der Völker! – Der Hintergrund ist genau die Interessenlage, dass die Euro­päische Union als Union zerschlagen werden soll oder dass man sich auf sozusagen günstige Zeitpunkte verständigt – so wie Ihre Kollegin Marine Le Pen in Frankreich –, um Austrittsreferenden zu starten (Abg. Neubauer: … auch gestorben!) und dann tatsächlich mit Lügenpropaganda – so, wie es in Großbritannien passiert ist – aus meiner Sicht schwerwiegende falsche Entscheidungen gemeinsam mit der Bevölke­rung durchzusetzen. Das sind eigentlich die Gefahren, über die wir in Europa sprechen sollten.

Wir sind der Meinung, dass zur Bewältigung dieser internationalen und globalen Krisen jedenfalls ein Mehr auf europäischer Ebene notwendig ist, aber allein dieser Verweis und diese Notwendigkeiten reichen nicht aus. Es muss schon eine Politik sein, die konkrete, spürbare Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger erbringt, die tatsächlich ihr tagtägliches Leben verbessert.

Damit sind wir dann auch schon bei der Handelspolitik. Wenn man sich in den letzten sechs Jahren die Diskussion rund um diese Handelsverträge sehr kritisch angesehen hat und diese sehr kritisch begleitet hat, dann muss man schon eine Frage stellen: Wann ist überhaupt der richtige Zeitpunkt oder wann dürfen Bürgerinnen und Bürger überhaupt falsche Handelspolitik kritisieren? Wann dürfen Menschen mit einem Leiberl, auf dem was auch immer draufsteht, demonstrieren? Während der Verhandlungen zu TTIP und CETA haben wir sehr oft gehört: Das Ergebnis liegt noch nicht vor, warten Sie einmal ab, bis das alles fertig ist! – Wir haben immer sehr deutlich gesagt, wo unsere Kritikpunkte liegen.

 


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