Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll150. Sitzung / Seite 218

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das Versandhaus auf den Schuldner zugreift und der Staat dann für die Unterhalts­schulden einspringt. Das ist das eine Problem.

Der andere Punkt – und da bin ich durchaus bei Kollegin Wurm von der SPÖ –: Wir müssen uns das Unterhaltsrecht insgesamt ansehen, denn das größte Problem im Unterhaltsrecht ist neben dem, dass manche Väter unter das Existenzminimum gepfändet werden, das, dass der Unterhalt zu niedrig ist. Das heißt, dass das, was die Mutter bekommt, wenn der Verdienst niedrig ist, nicht ausreicht, um ein Kind ausreichend zu finanzieren. Das heißt, wir müssen insgesamt in das Thema Unter­halts­grundsicherung für Kinder einsteigen, damit wir das Problem lösen, wenn Väter zu wenig verdienen, dass Mütter – in der Regel wird es so sein; es kann natürlich auch umgekehrt sein – die Existenz des Kindes sichern können.

Herr Minister, es gibt aber noch einen Punkt, den wir im Justizausschuss ange­sprochen haben, und das ist das Thema Privatkonkurs: Wir warten seit vielen Jahren auf eine Reform des Privatkonkurses. Ich erinnere an die Wirtschaftskrise: Für alle hat man Pakete geschnürt, außer für Privatschuldner. Diese hat man im Stich gelassen. Ich erinnere mich, wie damals die Kredite schlagend geworden sind, Frankenkredite et cetera. Das hat viele kleine Kreditnehmer ins Verderben gestürzt, welche heute noch an diesen Krediten leiden, und für diese Betroffenen der Wirtschaftskrise hat es überhaupt keinen Reformansatz gegeben.

Wenn man mit dem Thema Privatkonkursreform beginnt, dann sagen immer alle: Ja, meine Güte, Privatkonkurs! Wenn jemand seine Schulden nicht im Griff hat, dann ist er ein bissel selbst schuld. Die Wahrheit ist: Wenn man sich ansieht, wer heute in Privatkonkurs geht, dann sind es nicht primär Leute, die ihre Handyrechnungen oder ihre Versandhausschulden nicht zahlen können. An vorderster Stelle sind Personen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Leute werden arbeitslos und können ihre Kredite nicht bezahlen.

Die zweite Gruppe – und das halte ich für ganz wesentlich – sind gescheiterte Selbständige. Wir stellen uns, wenn wir über Wirtschaftsthemen reden, hin und sagen, es müsse eine Kultur des Scheiterns geben, damit innovative Menschen etwas riskieren. Das sind die Sonntagsreden. Wenn dann jemand scheitert, hat er keine Chance, im Privatkonkurs seine Schulden schnell loszuwerden und wieder durchzu­starten.

Die dritte Gruppe, die stark von Überschuldung betroffen ist, sind jene, die sich scheiden lassen. Scheidungen sind teuer. Meistens geht es dann auch um Kredite, die schlagend werden, die man vielleicht zu zweit gerade noch schafft, nach der Trennung wird es jedoch schwierig.

Wenn wir sagen, die Hauptbetroffenen im Privatkonkurs sind gescheiterte Selbstän­dige, Menschen, die sich scheiden lassen, und Leute, die arbeitslos werden, und wir ändern nichts, dann halte ich das für fahrlässig. Im europäischen Durchschnitt dauert es beim Privatkonkurs in etwa fünf Jahre, bis jemand – natürlich muss er sich bemühen, seine Schulden zu bezahlen – entschuldet wird. In Österreich kann das bis zu zehn Jahre dauern, das ist ein Viertel des Erwerbslebens.

Was ist die Folge? – Nicht nur, dass diese Person zehn Jahre mehr oder weniger am Limit lebt, für diese Personen sinkt ja auch die Motivation, am Arbeitsmarkt aktiv zu werden, da ja ohnedies sozusagen alles runtergeräumt wird. Damit sinkt aber auch die Möglichkeit für potenzielle Gläubiger, zu Geld zu kommen. Wenn die Person sagt, ich gehe nicht arbeiten, weil ich ohnehin nichts davon habe und meine Schulden nicht loswerde, kommt auch der Gläubiger nicht zu seinem Geld.

 


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