Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 119

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finanzierungsströmen und von welch einer Intransparenz das österreichische Sozial­versicherungssystem gekennzeichnet ist.

Jetzt sitzt diese Bauernsozialversicherung mit Ende des Jahres 2015 auf 306 Millio­nen € Reinvermögen und 270 Millionen € Finanzvermögen. Damit gehört sie zu den Sozialversicherungsträgern mit dem höchsten Pro-Kopf-Finanzvermögen, nämlich un­gefähr 740 € pro Versichertem. Das ist also ein bisschen mehr als eine Grippeimp­fung – weil es vorhin geheißen hat, der Sozialversicherungsträger braucht eine Rückla­ge, um auf eine Grippewelle vorbereitet zu sein.

Wenn man in Geld schwimmt, dann kann man natürlich auch großartige Leistungen für die Versicherten anbieten. Auch das macht die Sozialversicherungsanstalt der Bauern, die nämlich für Zahnimplantate, für Zahnkronen, für die Zeckenschutzimpfung, für Seh­behelfe viel mehr zahlt als jede Gebietskrankenkasse. Das ist aber spannend: Zuerst bekomme ich Querfinanzierung dick, viel dicker als jeder andere, und dann gebe ich es dick raus – und das auf Kosten der Allgemeinheit der Versicherten!

Da stellt sich die Frage, wie das zusammenpasst, dass ein Sozialversicherungsträger eigentlich überdurchschnittliche Leistungen zahlt – mit Geld, das er gar nicht selbst ein­gehoben hat, das er von den anderen bekommt. Die Bauernsozialversicherung hat näm­lich dieses dunkle System der Querfinanzierung in die eigene Kasse hinein perfektio­niert.

Das Feine ist nämlich: Wenn das Geld im Pensionsversicherungszweig nicht reicht, dann springt ja immer der Bund ein. Bei Defiziten in der Pensionsversicherung springt immer der Bund ein, und deswegen ist es geschickt, aus dem Pensionsversicherungs­zweig Geld herauszuziehen und es bei der Krankenversicherung aufzupfropfen, weil drüben bei der Pensionsversicherung ohnehin die Gemeinschaft der Steuerzahler zahlt. Wenn man das sauber durchrechnet, dann kommt man ungefähr dahin, dass die Bau­ernpensionsversicherung ohnehin zu 80 Prozent steuerbezuschusst ist. Davon profi­tiert indirekt also auch die bäuerliche Krankenversicherung.

Jetzt kommt der Vorschlag, der Landwirtschaft für ein Quartal die Beiträge zu erlas­sen – der Minister sagt: zu stunden. Da fragt man sich, wie das gehen soll und wie sich das überhaupt rechtfertigt. – Ja, weil die Bauern – sagt Kollege Höfinger – so eine schwere Phase haben, weil sie wenige Erträge haben, weil sowieso der Milchpreis kaputt ist, aufgrund der Russland-Sanktionen – und so weiter, und so fort.

Da gerät ein bisschen in Vergessenheit, dass der Landwirt auch ein Unternehmer ist und dass der Unternehmer immer ein unternehmerisches Risiko hat. (Abg. Wöginger: Das hat er eh!) Wenn ich für meine Ware einen schlechteren Preise bekomme, dann hat sich mein unternehmerisches Risiko realisiert! So geht es anderen auch: Wenn Sie ein Schuhgeschäft haben … (Abg. Steinbichler: Ist das die neue Agrarpolitik von euch? – Abg. Wöginger: Genau!) – Wenn Sie ein Schuhgeschäft haben, kann es Ih­nen passieren, Kollege Steinbichler, dass Ihre Kunden mehr bei Zalando einkaufen und nicht mehr zu Ihnen in den Laden hineingehen. Dann haben Sie möglicherweise auch schwierige wirtschaftliche Phasen. Wenn beim Kollegen Obernosterer die Leute über die Onlineplattform buchen, kommen sie auch billiger weg, als sie das vor ein paar Jah­ren noch gekommen sind, als sie bei ihm direkt eingelaufen sind. So haben auch Ho­teliers schlechtere Zeiten, kriegen aber kein Quartal SVA-Beiträge gestundet, sondern müssen das weiter voll zahlen.

Jetzt frage ich Sie noch eines: Wie soll das mit einer Beitragsstundung für die Bauern funktionieren? Wenn die im heurigen Jahr nicht für vier Quartale zahlen können, wie sollen sie dann drei Jahre später fünf Quartale zahlen? (Ruf bei der ÖVP: Tun wir nicht!) Warum soll die Einkommenssituation in drei Jahren viel besser sein? – „Tun wir nicht!“, höre ich von da (in Richtung ÖVP). Ja, ich habe es sehr genau verstanden.


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