Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll160. Sitzung / Seite 200

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Ich sage das vor allem deshalb, weil es mir wichtig ist, dass das Gesamtbild, das die Justiz heute in diesem Bereich bietet, nicht durch Debatten über ganz besonders gelagerte Einzelfälle in ein falsches Licht gerückt wird.

Ich sage Ihnen ganz offen, Herr Abgeordneter Öllinger: Ich schätze Ihre Tätigkeit. Sie sind für mich so etwas wie eine Art Watchdog für diese Thematik. Es ist daher gut, dass wir auch in diesem Bereich immer wieder dazu gezwungen sind, Rede und Antwort zu stehen, denn Transparenz in diesem Bereich ist mir wirklich wichtig.

Konkret dachte ich wirklich, mit meiner sehr umfangreichen Anfragebeantwortung eigentlich alle Fragen geklärt zu haben, aber ich ergänze gerne noch einiges. Die Vorlage an den Weisungsrat erfolgte aufgrund der Bedeutung der zu klärenden Rechtsfragen – dazu komme ich noch – und des bei Bekanntwerden der Strafsache zu erwartenden besonderen medialen Interesses.

Das ist schon wichtig, dass bei so einer Entscheidung natürlich immer antizipiert werden muss: Welch besondere mediale Bedeutung, welch besonderes öffentliches Interesse könnte mit diesem Fall verbunden sein. Das kann sich natürlich auch erst im Nachhinein ergeben, aber da muss man schon im Vorfeld antizipieren.

Entscheidend dafür waren eben einerseits dieser Aspekt der besonderen öffentlichen Reaktion auf diese Thematik überhaupt, die zu erwarten war, aber auch die zu klärenden Rechtsfragen. Erstmals ist es nämlich geschehen, dass ein Verteidiger – ein Pflichtverteidiger, der sich seinen Mandaten ja nicht ausgesucht hatte! – wegen seiner Ausführungen in seinem Schlussplädoyer strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden sollte.

Da geht es natürlich auch um prinzipielle Fragen, wie etwa die Auslegung des Rechtfertigungsgrundes des § 9 der Rechtsanwaltsordnung, weil dieser ja auch eine strafrechtliche Haftung auszuschließen vermag. Grundsätzlich gibt es diese Möglich­keit, aber es wird auch betont, dass der Rechtsanwalt bei Ausübung des Vertretungs­rechts schon an die Strafgesetze gebunden ist. So einen Fall haben wir jedoch noch nie gehabt, dass ein Pflichtverteidiger strafrechtlich verfolgt werden sollte – obwohl, muss ich jetzt sagen, und dazu komme ich auch noch im Detail, der von ihm vertretene Mandant freigesprochen wurde.

Das ist eine ganz besondere Konstellation, die sich auch, glaube ich, in der Form wohl nicht wiederholen wird. Das war auch einer der Gründe, weshalb man gemeint hat, dass das eine ganz besondere Rechtsfrage ist, die sich hier stellt: Wie weit darf, wie weit muss ein Pflichtverteidiger gehen? Dazu kommt aber noch der Punkt – und den habe ich mit den umfangreichen Unterlagen, die ich auch in meine Anfragebeant­wortung einbauen wollte und auch eingebaut habe, angekündigt –, dass das gesamte Plädoyer dieses Pflichtverteidigers dadurch auch publik gemacht werden sollte. Das habe ich auch getan, weil zuvor medial immer nur punktuelle Auszüge kolportiert worden sind.

Das ist wichtig, denn nur dann, wenn man sich das gesamte Plädoyer dieses Pflicht­ver­teidigers anschaut – welches immer noch höchst unerfreulich ist in dem, was es teilweise zum Ausdruck bringt –, versteht man, meiner Meinung nach, weshalb der unabhängige Weisungsrat, der aus drei unabhängigen Experten besteht, zu dieser eindeutigen Auffassung gelangte, dass in dem Fall der Tatbestand nach dem Ver­botsgesetz nicht gegeben wäre.

Dazu hat der Weisungsrat gemeint, dass sich eben nach diesem Tatbestand „strafbar macht, wer die nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schlecht­hin und nicht bloß in Randbereichen, sondern in ihrem Kern leugnet“.

 


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