Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll160. Sitzung / Seite 201

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Herr Abgeordneter Öllinger, das kann ich abkürzen, Sie haben das auch schon erwähnt. Ja, das ist eine Rechtsansicht, die eben auf die aktuelle Rechtslage, die es seit dem Jahr 1992 gibt, zurückgeht. Zur Lösung dieser Rechtsfrage ist natürlich immer eine einzelfallbezogene Betrachtung notwendig, die sich auch an allen beschriebenen Kriterien orientiert; und dass solch eine Beurteilung, die eine einzelfallbezogene sein muss, natürlich von Einzelfall zu Einzelfall unterschiedlich ausfallen kann, das liegt in der Natur der Sache.

Ich habe dieses Plädoyer im Sinne größtmöglicher Transparenz zur Gänze publik gemacht. Ich kann nur jedem raten, sich das wirklich in Ruhe anzuschauen, und dann auch zu überlegen, weshalb der Weisungsrat in diesem Fall zu dieser klaren Empfehlung kam, dass da eben der Tatbestand nicht wirklich ausreichend gegeben wäre.

Es kommt noch etwas dazu – und das ist jetzt ein Punkt, der, das sage ich Ihnen ganz offen, in meinen Überlegungen dann auch der ausschlaggebende gewesen ist –: Natürlich hat man mit solchen Fällen keine Freude, aber es ist letztlich gerade bei schwierigen Entscheidungen für mich immer wichtig gewesen, sich einfach wirklich korrekt an das Gesetz zu halten. Es gibt eine Regelung in der Strafprozessordnung, die da hineinspielt, von der vielleicht bisher noch zu wenig die Rede war, aber für mich persönlich war es eine sehr wichtige: Das ist § 210 der Strafprozessordnung, worin als rechtliche Voraussetzung für eine Anklage eindeutig definiert ist, dass eine Anklage eben nur dann zulässig ist, wenn „auf Grund ausreichend geklärten Sachverhalts eine Verurteilung nahe liegt“. – In der Praxis wird das so gesehen: Man braucht eine Verurteilungswahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent – so wird es salopp formuliert –, aber es muss nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Verurteilung nahe­liegen.

Der Weisungsrat meinte – und das konnte ich nachvollziehen –, dass es in diesem Fall, bei dem der Mandant des Pflichtverteidigers freigesprochen wurde, naheliegend war, dass es wieder zu einem Freispruch kommen würde. Damit wäre natürlich auch wieder die Kritik verbunden gewesen, die wir auch immer wieder haben und die Sie zu Recht auch immer wieder aufzeigen, Herr Abgeordneter, dass Geschworenengerichte einfach Freisprüche fällen, die man oft schwer nachvollziehen kann. Da geht es mir nicht anders als Ihnen. Das liegt einfach daran, dass da eben die Begründung nicht gegeben ist. Es gibt ja nur den Spruch der Geschworenen und sonst gar nichts.

Unter Berücksichtigung dessen war mir klar: Ich habe hier eine eindeutige Stellung­nahme des Weisungsrates. Unabhängige, höchst erfahrene Experten sagen mir: Das wird nichts, die Verurteilung liegt nicht nahe. Der Tatbestand ist unserer Meinung nach streng genommen nicht erfüllt. Die besondere Konstellation – der Pflichtverteidiger, der für seinen Mandanten, den er sich, wie gesagt, noch dazu gar nicht aussuchen konnte, agiert hat – ist auch ein Problem der Rechtfertigung nach § 9 der Rechtsanwalts­ordnung. Das heißt, in dieser Situation – und dazu stehe ich, und ich kann auch nur das verantworten und nichts anderes – war mir klar: Meiner Ansicht nach ist we­sentlich, dass ich mich strikt an das Gesetz halte. Wenn § 210 StPO besagt, ich kann eine Anklage nur zulassen, wenn eine Verurteilung naheliegt, und alle Experten mir sagen, in diesem Fall ist es anders, da liegt ein Freispruch nahe, dann kann ich diese Anklage nicht zulassen. Jetzt kann man natürlich, das verstehe ich schon, immer verschiedener Meinung sein, aber für mich war klar, das Problem liegt in Wirklichkeit (ein Exemplar der Strafprozessordnung in die Höhe haltend) hier.

Wenn das Gesetz rechtsstaatliche Voraussetzungen für eine Anklage vorsieht, die –natürlich nicht für jeden – für einen Anwalt besondere Konsequenzen hätte, dann muss man das halt wirklich entsprechend ernst nehmen. Ich hatte die Wahl zwischen der Entscheidung, die vielleicht für mich, wenn Sie so wollen, politisch bequemer, einfacher


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