Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 88

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der“, und da habe ich über vertikale Desintegration des ORF geschrieben. Das bedeu­tet aber nicht, dass wir dem ORF die Senderstruktur abräumen. Das steht so auch in keinem Konzept. Wir könnten uns einmal darauf einigen, dass es nicht unsere Idee ist, das zu machen. Das war kein ursprüngliches Konzept, das wir geändert haben, das war nie der Plan. Und wir sind nach wie vor nicht der Meinung, dass das passieren soll. Ich werde aber später noch ein bisschen mehr dazu erklären.

Das Ganze hat schon einen medienpolitischen Hintergrund. Warum gibt es Medienpoli­tik? – Um einen pluralistischen Medienmarkt zu gewährleisten, der dafür sorgt, dass journalistisch hochwertige Information zur demokratischen Meinungsbildung verfügbar ist. Und das Instrument staatlicher Intervention – hier, medienpolitisch – sind im We­sentlichen Regulierung und Förderung auf der einen Seite bis hin zum Betrieb eines ei­genen Medienhauses, einer eigenen Infrastruktur, wie wir das in Österreich mit dem ORF und der „Wiener Zeitung“ haben, auf der anderen Seite.

Ob das tatsächlich notwendig ist, darüber könnte man diskutieren, darüber kann man diskutieren. Das mache ich an dieser Stelle nicht. Wir bekennen uns dazu, dass das notwendig ist, ich erneuere dieses Bekenntnis. Wir müssen das auch immer wieder er­neuern, denn es kann sein, dass das in fünf Jahren in dieser Art und Weise nicht mehr gilt. Das ist zu hinterfragen. Wir können es tatsächlich auch schlecht ausprobieren – da gebe ich Dieter Brosz auch recht –: In Zeiten von Fake News und so weiter ist es kein gutes Experiment, zu schauen, ob es ohne den ORF in dieser Form oder ohne Förde­rungen im Medienbereich auch geht. Das geht nicht.

Eine Frage bleibt natürlich: Was und wie viel kann gefördert werden?, und dies im Zu­ge von Digitalisierung, Vernetzung, Globalisierung, vertikaler Reintegration, Konvergenz und vor allem auch geändertem Nutzungsverhalten. Glauben Sie, dass in zehn Jahren die jetzt Zehn-, Zwölfjährigen irgendwie noch linear fernsehen werden? Diese Frage hat­ten wir schon. Das wird einfach nicht passieren. Da hat sich einiges geändert.

Wir können durch diese Förderungen jedenfalls kein Nachfragedefizit an diesen Inhal­ten mehr ausgleichen. Herr Minister Drozda hat ja in seinem Ansatz zur Medienförde­rung Neu auch den Fokus darauf gelegt, dass eben journalistische Inhalte gefördert werden, und liegt damit sozusagen im modernen Mainstream. Diese Sichtweise teile ich auch. Infrastruktur, technische Produktion, Verbreitung sind nicht unbedingt mehr för­derwürdig und, wie im Fall des ORF, nur mehr so weit wie notwendig förderwürdig.

Beim ORF wird aber trotzdem noch versucht, das Nachfragedefizit dadurch auszuglei­chen, dass man diesem Nachfragedefizit eine hohe Reichweite entgegensetzt. Doch das funktioniert nicht mehr, weil die Medienkonsumentinnen und -konsumenten selbst entscheiden, was sie konsumieren und auch wann sie es konsumieren. Es braucht al­so viel mehr einen intelligenten Vertrieb, eine intelligente Verbreitung dieser Inhalte. Das geht auch über Medienkooperationen, und das habe ich gemeint: Man kann sich fremde Medienhäuser auch zunutze machen, um diese Inhalte zu verbreiten, wie zum Beispiel Facebook; der ORF macht das heute, der ORF nützt heute Facebook. Und es gibt beim ORF Menschen, die Facebook gerne als Medium definieren; die wehren sich aber gleichzeitig gegen unsere Vorschläge, dass der ORF bitte andere Medien benüt­zen sollte. Das ist doch paradox. Der ORF tut es, und das ist ja auch richtig so.

Wenn sich also der ORF von diesem Reichweitenfetisch verabschiedet und akzeptiert, dass die Verbreitung in Zukunft weniger linear ist, dann ist er auch bei wesentlich hö­herer Qualität, nämlich mit Fokus auf Public Value, wesentlich günstiger zu betreiben.

Dazu ein kleines Gedankenexperiment, das ich auch schon einmal publizistisch durch­geführt habe: Wenn wir den ORF neu konzipieren würden, und wir würden uns an vergleichbaren Marktbegleitern orientieren – also wir nehmen das Budget zum Beispiel von Puls 4, von Ö3, von „Der Standard“-Print und „Der Standard“-online zusammen und


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