Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 114

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richte – erst nach Ratifikation durch die nationalen Parlamente in Kraft treten werden und dass mit einer rechtsverbindlichen Zusatzerklärung zwischen EU und Kanada Ver­besserungen am Vertrag erzielt worden wären. Außerdem müsse Österreich – ver­gleichbar den Forderungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts – die vorläufige Anwendung des Vertrags auch wieder beenden können. Dies habe Österreich – so wie Deutschland – in einer Protokollerklärung zu CETA festgehalten.

Darüber hinaus verlangte der Bundeskanzler weitere Klärungen bei den Schiedsgerich­ten im Zuge des Ratifizierungsprozesses, bis der Vertrag dem Nationalrat als Regie­rungsvorlage zur Beschlussfassung vorgelegt werden könne. Im noch auszuhandeln­den Statut für die Schiedsgerichte solle u.a. die Unabhängigkeit der RichterInnen und der Entscheidungen sichergestellt werden sowie die Berechnung der Höhe von Scha­denersatzforderungen festgelegt werden.

Dass die Ausgestaltung eines Statuts an der prinzipiellen Schieflage des Schiedsge­richtssystems nichts ändert, haben mehr als hundert ProfessorInnen der Rechtswis­senschaften im Oktober 2016 in einer juristischen Stellungnahme klar gemacht. Sie lehnen das in CETA erstmals verankerte System genauso ab, wie das bisher beste­hende ISDS-Regime. Das von der Kommission propagierte neue Schiedsgericht stattet die Investoren im Wesentlichen mit den gleichen Sonderrechten wie bisher aus und pri­vilegiert daher ausländische Investoren gegenüber allen anderen Akteuren in einer Ge­sellschaft, ist in der Stellungnahme zu lesen.

Sowohl bei der Frage, ob die Zusatzvereinbarungen und Protokollerklärungen über­haupt rechtsverbindlich sind, als auch bei der geforderten einseitigen Beendigung der vorläufigen Anwendung des Vertrags durch Österreich scheiden sich die Geister. Im ersteren Fall stellen Rechtsgutachten – wie das zuletzt im profil vom 30.1.2017 zitierte Gutachten von Prof. Maurer von der Universität Innsbruck – die rechtliche Verbindlich­keit der CETA-Beipacktexte als „unklar“, „rein informativ“ und „nicht bindend“ in Frage.

Ob ein Mitgliedsland die vorläufige Anwendung von CETA beenden kann, beantworten die Europäische Kommission und das deutsche Bundesverfassungsgericht unter­schiedlich. Wie das Onlineportal vieuws.eu berichtete, informierten Vertreter der Euro­päischen Kommission die EP-Abgeordneten im November 2016 darüber, dass ein ein­seitiger Ausstieg eines Mitgliedslands aus CETA nicht vorgesehen ist. Demgegenüber beharrt etwa das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem CETA-Beschluss vom 7.12.2016, dass die Möglichkeit zur Beendigung der vorläufigen Anwendung gegeben sei. Je nachdem, wer gefragt wird, gibt es unterschiedliche Antworten. Rechtssicher­heit sieht anders aus.

CETA – Bundesregierung übergeht Nationalrat

Unabhängig vom Beipacktext argumentierte Bundeskanzler Kern, der etwa seine Kritik an den in CETA vorgesehenen Investitionsschutzgerichten bis zuletzt aufrecht erhielt, seinen Schwenk und die damit verbundene Zustimmung zu CETA mit dem drohenden Verlust an Glaubwürdigkeit des europäischen Projekts (Parlamentskorrespondenz Nr. 932). Die Bundesregierung – im Zusammenspiel von Bundeskanzler Kern, Vizekanzler Mit­terlehner und Außenminister Kurz – hat aber mit der Genehmigung von CETA im Rat der EU am 28. Oktober 2016 die verfassungsrechtlich verankerten Mitwirkungsrechte des Nationalrates (Art 23 e B-VG) gröblich übergangen.

Durch die einheitliche Stellungnahme der Bundesländer gemäß Art. 23 d Abs. 2 B-VG vom 11. Mai 2016 und der darauf bezugnehmenden Stellungnahme gemäß Art. 23 e B-VG des Nationalrates vom 22. Juni 2016 war die Bundesregierung daran gebunden, „dem Abschluss von CETA im Rat nicht zuzustimmen, solange die Forderungen dieser Beschlüsse nicht erfüllt sind“. Darin heißt es u.a.: „die Möglichkeit von Schiedsver­fahren gegen Staaten (sog. ISDS-Klauseln) ist nicht vorzusehen; sich dafür einzuset-


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