Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll165. Sitzung / Seite 91

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für alle inhaftierten Journalist*innen in der Türkei“, „#FreeDeniz“, „#FreeTurkeyJournalists“.)

Stellen wir uns eine aktive Außen- und Friedenspolitik vor, die sich nicht erst im vierten Jahr eines blutigen Krieges, zum Beispiel in Syrien, dafür interessiert, wenn sich dort Tausende Menschen, vertriebene, geflüchtete Menschen, auf den Weg zu uns in die Europäische Union machen!

Stellen wir uns eine aktive Friedenspolitik vor, die sagt: Wer über Flucht redet, darf über Waffenproduktion, auch hier in Europa, und über Waffenhandel nicht schweigen!

Stellen wir uns eine aktive Außenpolitik vor, die mit einem Nachbarn, einem Nach­bar­land, das noch dazu EU-Beitrittskandidat ist, wie der Türkei, nicht einen schmutzigen EU-Flüchtlingsdeal abschließt, damit Zehntausende und Hunderttausende vertriebene und geflüchtete Menschen dort mehr oder weniger festgehalten werden beziehungs­weise damit die Grenzen der Türkei zubleiben, damit keine vertriebenen und geflüch­teten Menschen zu uns nach Europa kommen können!

Diese aktive Außenpolitik wäre eine nachhaltige Außenpolitik. Solch eine aktive Außenpolitik wäre eine aktive Friedenspolitik. Das wäre eine Politik, sehr geehrter Herr Bundesminister, die nicht erst die Folgen von kriegerischen Auseinandersetzungen problematisiert, noch dazu die Menschen problematisiert, die dann vor Vertreibung flüchten, sondern das wäre eine nachhaltige Außenpolitik, die versucht, viel früher anzusetzen, die nicht einfach sagt: Ach, machen wir doch die Grenzen zu, damit die Vertriebenen nicht hierher zu uns kommen können! Das wäre eine Außenpolitik, die auch eine gerechtere Handelspolitik im Blick hätte.

Das wäre eine Außenpolitik, die nach den Gründen fragt, warum Menschen entwurzelt werden, warum Menschen ihre Heimat verlassen: weil sie dort keine Existenz­grund­lage mehr haben. So zum Beispiel in Senegal, wo im Jahr 2014 von der EU, von unserer Europäischen Union, von der wir ein Achtundzwanzigstel sind, die Fischerei­rechte vor der senegalesischen Küste aufgekauft wurden (Abg. Kogler: Richtig!), wodurch mit einem Schlag Hunderttausende Fischer und Fischerinnen in Senegal arbeitslos geworden sind, ihre Arbeits- und Lebensgrundlage losgeworden sind.

Jetzt möchte ich Sie bitten: Stellen Sie sich vor, Sie wären zufällig in Senegal auf die Welt gekommen! Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Fischer oder eine Fischerin in Senegal! – Ich glaube, wir alle können nichts dafür, wo wir geboren wurden, in welche Familien wir geboren wurden und mit welcher Staatsbürgerschaft wir ausgestattet wurden. Das sind pure Zufälle.

Und jetzt möchte ich Sie fragen: Wenn Sie ein Fischer/eine Fischerin in Senegal wären, der/die mit einem Schlag die Lebensgrundlage losgeworden ist, würden Sie zuschauen, wie Ihre Kinder verhungern, oder würden Sie sich auf den Weg machen und versuchen, sich irgendwo, unter welchen Umständen auch immer, eine neue Lebensgrundlage, eine Zukunft für Ihre Kinder aufzubauen? – Ich glaube, die Antwort ist relativ klar. Egal, ob wir Kinder haben oder nicht, wir alle können uns nicht vor­stellen, dass wir tatenlos bleiben würden.

Deshalb brauchen wir auch eine aktive und nachhaltige Außen- und Friedenspolitik. Wir brauchen eine aktive und demokratische Nachbarschaftspolitik. In der Türkei sind derzeit mehr als 150 Journalisten und Journalistinnen in Haft, weil sie berichtet haben, und zwar weil die Berichte, die sie geschrieben, gesendet, produziert haben, den Machthabern, der Regierung, dem Präsidenten Erdoğan nicht gepasst haben.

Neuestes Beispiel ist Deniz Yücel, Doppelstaatsbürger, sowohl deutscher als auch türkischer Staatsbürger, der nach 13 Tagen in Polizeigewahrsam auf unbestimmte Zeit und auf unbeschränkte Zeit in Untersuchungshaft genommen wurde.

 


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