Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll167. Sitzung / Seite 50

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oder einen Arzt besuchen. Die Ordinationsgehilfinnen, die Helferinnen dort verdienen alle weniger als 10 € die Stunde. Ich denke, das könnte es uns schon wert sein, ein Ein­kommen von zumindest 1 300 € brutto im Monat zu garantieren und das nicht weiter zu verschieben, sondern das sofort in Angriff zu nehmen. Das wäre auch mein Appell an Sie als Sozialminister. (Beifall bei den Grünen.)

Der zweite Punkt, der wirklich unter den Nägeln brennt: In den letzten 40 Jahren sind die Mieten um fast 1 000 Prozent gestiegen, die Einkommen um 620 Prozent. Irgend­wie ist das Thema Mieten und Wohnen, obwohl es ein wahnsinnig relevantes soziales Anliegen ist, obwohl es eines der relevantesten sozialen Themen ist, komplett ausge­spart worden. (Abg. Kassegger: Warum stimmen Sie dann zu, Frau Glawischnig? – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Sie stimmen zu!) Es gab im Jahr 2013, im Regierungs­übereinkommen, noch ein Versprechen dieser Bundesregierung, sich das Mietrecht an­zuschauen und eine große Reform zu machen. Im neuen Regierungsübereinkommen findet sich das nicht. Ich finde, so ein Sozialbericht sollte schon Anlass sein, dieses schwarze Loch soziale Gerechtigkeit in diesem Regierungsübereinkommen neu zu über­arbeiten. Dazu hätten wir ja wohl die Möglichkeit.

Abschließend zu den Maßnahmen, die Sie sehr wohl im Ministerrat beschlossen ha­ben: Ich nehme nur ein Beispiel her, das ist die Kürzung beziehungsweise die Abschaf­fung der Familienbeihilfe für Kinder, die im Ausland sind. (Abg. Belakowitsch-Jene­wein: Das steht gar nicht drinnen! – Abg. Kassegger: Haben Sie den Bericht doch nicht gelesen, Frau Kollegin?) – Das steht nicht drinnen, es steht nur das Kapitel Pfle­ge drinnen. Wenn man sich die Situation im Pflegebereich ansieht und dann, dass Tau­sende Pflegerinnen aus unseren Nachbarstaaten, die teilweise für 3 € die Stunde 24 Stun­den, rund um die Uhr, zur Verfügung stehen, eine wesentliche Säule unserer sozialen Sicherheit darstellen, dann frage ich mich schon, liebe SPÖ, wo Ihr sozialer Gerechtig­keitsverstand hingekommen ist.

Diesen Frauen einen eigentlichen Lohnbestandteil wegzunehmen und bei der Pflege gar nichts zu machen und so zu tun, als gäbe es hier kein Problem, ist wirklich aber­witzig. Darüber möchte ich auch gern einmal mit Herrn Bundeskanzler Kern in einen Dia­log treten: Was ist Ihr Verständnis von sozialer Gerechtigkeit, wenn Sie Forderungen erfüllen, die jahrelang die FPÖ erhoben hat? Das ist sozusagen schwarz-blaue Sozial­politik im Regierungsübereinkommen.

Das ist ein sehr, sehr guter Sozialbericht – ich sage es noch einmal: wir stimmen ihm zu –, aber er blendet soziale Lebensrealitäten komplett aus. (Abg. Schellhorn: Das stimmt!) Die Frage der Pflege ist in Österreich ein Thema, und wenn Sie diesen Frauen das wegnehmen, wird das in diesem Bereich zu einem Notstand führen. Das Durch­schnittsalter der slowakischen Pflegekräfte ist 42. Die haben alle Kinder zu Hause, klei­ne Kinder, sind teilweise alleinverdienend und brauchen natürlich auch eine gewisse Ab­sicherung für diese Kinder, während sie weg sind – das tut schon auch weh, drei Wo­chen, zwei Wochen von seinen Kindern getrennt zu sein. (Abg. Schellhorn: Personen­freizügigkeit! – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Sie wollen sich freikaufen!) – Frau Kollegin, wissen Sie, was ich möchte? – Ich möchte, dass wir im Pflegebereich endlich einmal hin­schauen. Das ist auch eine Aufforderung an den Sozialminister.

Ich möchte nicht, dass wir den Sozialbericht, der sehr viele kluge Ansatzpunkte hat, einfach in die Schublade legen. Ich möchte, dass trotz dieser Gegeneinander-Politik, die auf Kosten von Gruppen gemacht wird, die in unserer Gesellschaft sehr viel an so­zialer Sicherheit leisten – mögen sie auch nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben –, diesen Gruppen auch die Anerkennung zuteilwird, die sie verdienen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neubauer: Darum geht es ja gar nicht!)

10.59

 


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