Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung / Seite 53

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mit wem sie den Primärversorgungsvertrag zu welchen Bedingungen abschließt. Es be­steht nämlich die Gefahr, dass die Gesundheitsberufe bei der Vertragsvergabe be­nachteiligt sind, weil sie vertragsgebunden sind und weil sie das Gründungskapital und die Infrastruktur nicht aufstellen können. Stattdessen können Konzerne und undurch­sichtige Firmenkonstruktionen zum Zug kommen, die Versorgung übernehmen und lang­fristig auch dominieren. Und wenn das passiert – davon bin ich sehr überzeugt –, wird es zu Lohn- und Qualitätsdumping kommen. Aus meiner Sicht ist es daher sehr, sehr wichtig, dass die Sozialversicherung bei der Vertragsvergabe durch einen einheitlichen und klaren Vertrag, der für alle Anbieter gilt, gebunden ist. Gleiche Bedingungen für al­le – es muss einen bundesweit einheitlichen Primärversorgungsvertrag geben, der für alle Anbieter in gleicher Weise gilt! (Beifall bei den Grünen.)

Auch jede involvierte Berufsgruppe braucht einen Rahmenvertrag, der dann wieder in diesen Primärversorgungsgesamtvertrag eingebettet werden kann, und dieser Rahmen­vertrag muss auch beschreiben, was den Menschen an Versorgung zusteht, welche An­gebote es geben soll, welche Rahmenbedingungen für gute Behandlungsqualität not­wendig sind und wie die Gesundheitsberufe entlohnt werden.

Das sind die Kernelemente, die wir für ein neues Primärversorgungsgesetz fordern, und ich hoffe, sehr geehrte Frau Ministerin, dass Sie sich dafür interessieren und dafür ein­setzen werden.

Thema Psychotherapie: Die Psychotherapie ist eine Pflichtleistung der Krankenkasse seit dem Jahr 1991, aber die Sozialversicherung in Österreich hat Sonderrechte: Sie muss Gesetze nicht einhalten! Das sage ich bewusst sehr zynisch.

Die Sozialversicherung hat sich für einen Systembruch entschieden, nämlich für die Kon­tingentierung und Rationierung des Angebots, und hat es somit geschafft, seit 25 Jah­ren 900 000 psychisch kranke Menschen massiv zu benachteiligen. Die Hälfte derer, die sich Psychotherapie überhaupt leisten können und überhaupt Zugang dazu fin­den – und das sind nur 65 000 Menschen –, zahlen ihre Behandlung fast selbst. Schon nach 20 Stunden Psychotherapie – und normalerweise geht man jede Woche in eine Psychotherapie – haben sie Kosten von 1 200 € aus der eigenen Tasche zu zahlen. Das ist ein System, das massive Ungleichbehandlung nach sich zieht. Wenn man also von einem solidarischen und gerechten Gesundheitssystem sprechen will, muss man hier ansetzen und Änderungen vornehmen.

Es gibt riesengroße Probleme in diesem Bereich:

Abgesehen von dem persönlichen Leid, das die Menschen trifft, die psychisch krank sind, erfolgen immer mehr Frühpensionierungen aufgrund von psychischen Erkrankun­gen.

Nach einer psychischen Rehabilitation gibt es keine Weiterbehandlung, weshalb sie auch nicht zum entsprechenden Erfolg führen kann. Gleiches gilt bei fit2work.

Es folgen langzeitige und immer mehr Krankenstände aufgrund psychischer Erkran­kungen und viel zu viele Menschen in Österreich, die Psychopharmaka nehmen. Eine State-of-the-Art-Behandlung, wie sie in Deutschland und in der Schweiz ganz selbst­verständlich ist, nämlich dass es immer nur eine Kombinationstherapie von Psychothe­rapie und psychopharmakologischer Behandlung gibt, ist in Österreich de facto nicht mög­lich. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Das Thema Wartezeiten ist, finde ich, auch ein wirklich großer und wichtiger Punkt. Da­zu möchte ich sagen, dass wir mittlerweile seit zwei bis drei Jahren davon sprechen, dass es diesbezüglich Verbesserungen geben muss. Ich hoffe, dass da wirklich zügig Lösungen gefunden werden, damit die Menschen in Österreich tatsächlich wieder da-


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