Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung / Seite 60

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Zum eigentlichen Thema: Als Arzt bin ich froh, dass eine Ärztin neue Gesundheitsmi­nisterin geworden ist. Als Wissenschaftssprecher und Vorsitzender des Wissenschafts­ausschusses bin ich froh, dass eine Wissenschaftlerin diese Aufgabe übernommen hat. Und als Vater und Großvater bin ich besorgt über eine Tatsache, nämlich dass Infek­tionskrankheiten, dass längst ausgestorben gewähnte Erkrankungen leider wieder zu­rückkommen und wir diesbezüglich eine Verunsicherung in der Bevölkerung in Bezug auf Vorbeugung und Therapie erleben – und da bin ich froh, dass eine Expertin aus die­ser Ecke auch hier auf der Regierungsbank Platz genommen hat.

Aber damit hört es sich schon wieder auf mit dem, worüber man als Politiker und als Patient froh sein kann, denn: Frau Minister, wir können Sie leider nicht aus der Verant­wortung entlassen, dass Sie jetzt über Jahre hinweg nicht nur eine weisungsgebunde­ne Spitzenbeamtin waren, sondern auch als so etwas wie ein Mastermind hinter den gesamten Dingen, über die wir hier kontroversiell diskutieren, gestanden sind. Es ist ei­ne Tatsache, dass heutzutage das einst so hochgelobte und tatsächlich beste – oder ei­nes der besten – Gesundheitssystem der Welt ein eklatanter Sanierungsfall ist. Das hat mehrere Ursachen, aber für die Patienten und wenn man es aus der Perspektive des Patienten betrachtet, bedeutet das – wie auch heute schon oft gesagt, ich erwähne es jetzt noch einmal – eine eklatante Verlängerung der Wartezeit vor allem in den Spitals­ambulanzen, es bedeutet ein langes Warten auf Operationstermine, es bedeutet, in Gang­betten zu liegen. Und im niedergelassenen Bereich finden die Patienten immer seltener Ärzte, es werden immer seltener die Krankenkassen-Planstellen besetzt, die Patienten müssen auch hier – Sie haben es ja angesprochen: MR/CT – sehr lange auf Termine war­ten, und vieles mehr.

Wir haben de facto heute ein sogenanntes Mehrklassensystem. Wir alle wissen: Wenn es notwendig ist, dann muss bezahlt werden, damit man schneller drankommt und da­durch eben eine zeitgerechte – und natürlich dadurch auch, weil sie zeitnah erfolgt, bes­sere – Behandlung bekommt. Das ist leider Realität.

Wir haben eine politische Auseinandersetzung mit den Standesvertretungen vor uns, aber nicht nur dort. Das sind ja eben nur Standesvertreter, das ist die Gewerkschaft der Ärzte, wenn man so möchte. Und es gibt hier momentan eine wirkliche Konfliktsi­tuation, angesichts deren wir auf Dauer einen vertragslosen Zustand befürchten müs­sen.

Und warum ist diese Situation in dieser Form eingetreten? – Da wende ich mich auch an Sie, Herr Kollege Spindelberger. Erstens einmal, ganz klipp und klar: Gerade im So­zialbereich, wie damals mit den Spitalsärzten, war das schlicht und einfach Ignoranz und politisches Unvermögen. Gut, da können wir trefflich darüber streiten. Aber es ist natürlich auch die Reformverweigerung in Bezug auf die Sozialversicherungen, woran die Sozialpartner wirkliche Schuld tragen. Und das Dritte ist wirklich hausgemacht, näm­lich eine in den letzten Jahren erfolgte sinnlose Ideologisierung der Gesundheitspolitik. Ich könnte jetzt noch einmal darüber sprechen, was alles für Missstände herrschen und wie man es besser machen könnte, aber tatsächlich und de facto ist es doch heute so, dass in den sogenannten PHCs oder diesen Zentren, in denen eine Zusammenfassung erfolgen soll, nichts anderes zu sehen ist als eine Zerschlagung des freien Berufsstan­des beziehungsweise eine Veränderung des heute immer noch gut funktionierenden Kas­sensystems.

Herr Kollege Spindelberger, wenn es so ist, dass im Raum steht, dass der Gesamtver­trag durch Einzelverträge abgelöst wird, dann werden die Ärzte letztendlich erpressbar sein, und niemandem wird geholfen sein. Und wenn wir darüber sprechen, wie wir so­fort in den Randzeiten, am Abend – die Frau Kollegin hat gesagt, es ist in ihrer Gegend am Mittwoch halt keiner da – die Dinge verbessern können, so ist das ganz einfach zu


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