Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 98

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Die Europäische Union als Friedens- und Wohlstandsprojekt wird in Zukunft nur dann funktionieren, wenn sie von den Menschen akzeptiert wird und wenn die sozialen Anliegen, insbesondere der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa, in den Vordergrund gestellt werden. Die Menschen wollen Frieden, sie wollen sich weiter­bilden, sie wollen arbeiten, sie wollen sich frei entfalten können, sie wollen in Gesund­heit und glücklich alt werden und in Würde ihren Lebensabend verbringen. Diese Bedürfnisse müssen im Mittelpunkt der Europäischen Union stehen, und das Ganze auf Basis eines solidarischen Sozialstaates.

Wenn heute schon über übergeordnete Ziele gesprochen wurde, so geht es meiner Meinung nach auch darum, deutlich zu machen, dass übergeordnete Ziele der Europäischen Union eben nicht nur der Freihandel, nicht nur das freie Spiel von Kapital und internationalen Konzernen sind, sondern dass ein übergeordnetes Ziel auch ein soziales Europa ist. Und wenn die ÖVP erst vor Kurzem gemeint hat, das zu fordern, wäre eine gefährliche Drohung und ein Ausdruck von Sozialromantik, dann sage ich: Damit kann ich auch ganz gut leben; ich finde es nur befremdlich, dass das abgelehnt wird.

Es ist auch heute schon in der Diskussion zum Ausdruck gekommen, dass die Europäische Union vor wichtigen Weichenstellungen steht, der Brexit mit all seinen Folgen wurde schon thematisiert. Fehlendes Vertrauen in demokratische Institutionen und unabhängige Medien, der Aufschwung von Rechtspopulismus und Extremismus, all das bringt die europäische Solidarität ins Wanken. Daher ist die Fortsetzung einer lupenreinen Politik, wie wir sie aus den letzten Jahren kennen, in Richtung Deregu­lierung und des neoliberalen Projektes meiner Meinung nach völlig fehl am Platz. Das wird vielleicht die Herzen der Industriellenvereinigung gewinnen, aber sicher nicht die Herzen der Menschen.

Es geht uns und muss uns um die Bedürfnisse der Menschen gehen, und wenn es um Perspektiven der Budgetpolitik geht, dann erwarte ich mir auch, dass es um Themen geht, die die unmittelbare Lebens- und Arbeitssituation der Menschen betreffen, für die auch die entsprechenden fiskalischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Da gibt es durchaus ein paar Punkte – Herr Finanzminister, Sie haben sie angesprochen –, die ich ähnlich sehe wie Sie und von denen ich glaube, dass man gemeinsam daran weiterarbeiten kann. Schade ist, dass in den bisherigen Ausführungen die gesamte soziale Frage meiner Meinung nach wesentlich zu kurz gekommen ist, denn ich bin der Meinung, Europa wird nur dann eine Zukunft haben und funktionieren, wenn auch die soziale Frage entsprechend gelöst wird und im Zentrum aller Aktivitäten der euro­päischen Politik steht.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum Abschluss rund um die aktuelle innen­politische Situation schon auch eine Anmerkung machen. Ich habe eine sehr, sehr große Sorge, und ich artikuliere diese Sorge auch in Wahrnehmung der Interes­sen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, denen es um Frieden geht, um ordent­liche Löhne, um Arbeitsplätze und um soziale Sicherheit. Wenn Einzelne jetzt schon unterwegs sind – ich höre das von verschiedenen Seiten –, die meinen, jetzt kommt die richtige Modernisierung in diesem Land, und sie meinen damit Sozialabbau, den Zwölf-Stunden-Tag, Lohnraub und den Abbau und die Beseitigung der Mitbestimmung, dann möchte ich alle warnen, solche Schritte ernsthaft anzudenken, denn das schaut so aus, als würde man sich hier auf den Weg machen, eine autoritäre Gesellschaft der Eliten mit Herrenmenschen und Untermenschen zu zimmern (Abg. Schimanek: Was?! – Widerspruch bei der ÖVP), und das hat dieses Land nicht verdient.

Wie eine Partei – und auch die Österreichische Volkspartei – intern ihre Strukturen führt, ist ihre Sache. Wenn man das autoritär macht, dann habe ich kein Problem damit. Sollte aber jemand der Meinung sein, das wäre ein Modell für die Republik,


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