Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 102

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große Chance für fundamentale Reformen. Wenn ich mir aber die aktuelle Debatte anschaue, dann fokussiert diese vor allem auf einen Punkt, und zwar auf die Netto­beiträge, und das war schon immer so.

Die schärfste Proponentin für die Nettozahlerdebatte stammte aus Großbritannien, es war Margaret Thatcher, sie hat seinerzeit gemeint: I want my money back! Groß­britannien tritt aber nun aus der Europäischen Union aus, und jetzt wird die Rolle Großbritanniens eben von den anderen Nettozahlern übernommen, und die sagen – das ist hier deutlich zum Ausdruck gekommen, durch die Vertreter der ÖVP, aber auch durch Sie, Herr Finanzminister –: Nein, diese Lücke, die durch den Brexit auf der Bei­trags­seite entsteht, werden wir nicht durch höhere Beiträge füllen.

Dieses Argumentationsmuster halte ich für völlig fatal und nicht geeignet, Reformen des EU-Haushalts in Europa in die Wege zu leiten, denn der Nutzen aus dem EU-Haushalt ergibt sich ja nicht nur aus der Nettoposition, es gibt ja auch indirekte Nutzen, es gibt eben so etwas wie den europäischen Mehrwert. Das ist ja mehrfach angezogen worden, aber daraus muss man wohl auch die Konsequenzen ziehen. Und wer nur in der Kategorie dieser Juste-retour-, dieser Nettobeitragszahler-Position diskutiert, verstellt den Blick auf die notwendigen Reformen und auf die historische Chance für diese Reformen, die der Brexit in Wirklichkeit bietet. (Beifall bei den Grünen.)

Und zwar bietet er sie in zweifacher Hinsicht: zum einen für die Steigerung des europäischen Mehrwerts, ja, durchaus, mit dem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit, soziale und ökologische Nachhaltigkeit, zum anderen aber auch für die Ausweitung des EU-Haushalts im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung und Stabilisierung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Macron hat einen Vorschlag des Europäischen Rates wieder aufgegriffen, nämlich den mit dem Eurozonenbudget. Darüber müssen wir auch einmal diskutieren, und wir müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass es weltweit keine Währungsunion gibt, die mit einem gemeinsamen Budget in der Größenordnung von einem Prozent des Bruttonationaleinkommens aus­kommt. Alle Ökonomen sind sich einig: Das wird nicht reichen. Die USA, auch eine Währungszone, hat ein gemeinsames Budget in der Größenordnung von weit über 20 Prozent. Darüber und über die Konsequenzen, die damit einhergehen, werden wir auch diskutieren müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir werden aber – da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Finanzminister – auch über die Ausgaben- und Einnahmenstrukturen und deren Reformen diskutieren müssen, denn wenn ich mir das gegenwärtige Budget anschaue, so ist es nicht geeignet, die Heraus­forderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen. Es ist nicht einmal geeignet, die EU-2020-Ziele zu erreichen. Das haben wir im Übrigen bei der Beschlussfassung des mittelfristigen Finanzrahmens 2014 bis 2020 schon heftig kritisiert.

Und es gibt ja eine Reihe von Defiziten auf der Ausgabenseite. Sie beginnen bei der Gemeinsamen Agrarpolitik. Diesbezüglich ist ja schon die überdimensionierte Förde­rung an die große Agrarindustrie ohne ökologische Ausrichtung erwähnt worden. Nur ein kleiner Teil wird für die ökologische Produktion im ländlichen Raum, für die Klein­bauern verwendet. Es geht aber weiter über die Struktur- und Kohäsionsfonds, die sich zu stark an der traditionellen Infrastrukturpolitik ausrichten und im Wesentlichen ärmere Staaten in der Europäischen Union benachteiligen. Der F&E-Anteil ist zu gering. Ja, und wir tun zu wenig für Soziales und in diesem Zusammenhang vor allem für die Be­schäftigung. Die Arbeitslosenquote in Europa ist immer noch im Durchschnitt unerträg­lich hoch, in den Südstaaten sogar skandalös hoch. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht aber auch darum, die Eigenmittelstruktur zu reformieren, wenn wir sagen wol­len, wir wollen der Nachhaltigkeit stärker Rechnung tragen. Sie, Herr Finanzminister, haben das auch angesprochen und einige Steuern genannt. Dafür bin ich Ihnen dank-


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