Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll188. Sitzung / Seite 30

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Es ist ein Faktum – man braucht nur die tagespolitische Situation anzusehen –, dass Minderheitenkonflikte weltweit verbreitet sind, und so kann man heute auch nach Südtirol schauen und von dem dort verbrieften und gelebten Modell etwas lernen und etwas mitnehmen.

Auch durch den EU-Beitritt Österreichs 1995 und den Fall der Grenzbalken durch den Beitritt zum Schengenabkommen sind Nord- und Südtirol wieder stärker zusam­mengerückt. Die Südtirolautonomie ist eine Friedensregelung. Die Südtirolautonomie sichert und fördert das friedliche Zusammenleben von drei in Südtirol lebenden Sprachgruppen. Die Südtirolautonomie ist Grundlage und Chance für die lange geforderte und mit dem EU-Beitritt realisierte Europaregion Tirol.

Wir sollten aber, glaube ich, trotz positiver Entwicklung nicht jubeln. Wir müssen auch vorausdenken. Die Frage ist, wie wir gemeinsam die Südtirolautonomie optimieren und ausbauen können, und so werde ich mir heute erlauben, zum 25-jährigen Streit­beilegungsjubiläum vier Punkte in den Mittelpunkt der Weiterentwicklung für Südtirol zu stellen.

Erstens: Südtirol braucht so viel Autonomie wie möglich. Dies schafft neue Möglich­keiten für Südtirol. Die Autonomie muss dynamisch weiterentwickelt und an die ständig neuen Erfordernisse angepasst werden. Wie eine kürzlich präsentierte Studie beweist, hat es seit 1992 Kompetenzverschiebungen gegeben. Da brauchen wir dringend Anpas­sungen im Rechtsbereich.

Zweitens: Die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino muss noch stärker ausgebaut werden, um bereits bestehenden Wirtschaftsaustausch zu forcieren. Der Brennerbasis­tunnel als Jahrhundertprojekt eröffnet da sicher neue Chancen der grenzüberschreiten­den Zusammenarbeit.

Drittens: Grenzen in den Köpfen müssen gezielt abgebaut werden. Man muss das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Es gibt zum Beispiel Bereiche wie die faschistischen Relikte oder die Frage der Toponomastik bei den Orts- und Flurnamen, wo es Vernunft, Fingerspitzengefühl und Realitätssinn braucht.

Viertens: Ein Herzenswunsch von vielen Tirolerinnen und Tirolern, Südtirolfreundinnen und -freunden und auch von mir persönlich wäre die Begnadigung der heute noch im Exil lebenden Südtiroler Freiheitskämpfer. Ich kennen sie persönlich. Es ist ihr Schick­sal, dass sie seit den Sechzigerjahren ihre Heimat nie mehr betreten durften. Ich hoffe hier trotzdem noch auf positive Signale und eine menschliche Lösung. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach.)

Österreich wird auch in Zukunft die Schutzfunktion für Südtirol ausüben. Südtirol kann sich auf Österreich verlassen, jedoch braucht es einen verlässlichen gegenseitigen Austausch. Der Südtirolunterausschuss muss auch in Zukunft auf Basis des Auto­nomie­berichts die Südtirolanliegen hier im Hohen Haus vertreten und deren Um­setzung politisch einfordern.

Ich möchte mich an dieser Stelle heute auch bei den Mitgliedern des Südtirolunter­aus­schusses und bei den Südtirolsprechern der Parteien für die trotz teilweise unter­schiedlicher Sichtweisen kooperative – es steht bei uns immer das Ziel im Mittelpunkt – und tolle Zusammenarbeit bedanken. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS.)

Den Wunsch und die Vision von Landeshauptmann Arno Kompatscher, nämlich eine starke Europaregion, ein kleines Europa in Europa, teile ich aus Überzeugung und aufgrund meiner Einstellung. Es gibt derzeit viele aktuelle Kriegsschauplätze, Krisen­herde, Völkerrechtsverletzungen, Flüchtlingsströme, die uns zum Nachdenken bringen und zum Handeln zwingen.

 


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