Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll188. Sitzung / Seite 276

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Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 50 Abs. 1 festzustellen sowie die Duldung gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 auszusprechen.

Abgesehen von der Regelung der Duldung in § 46a sprechen für die vorgeschlagene Änderung auch die Vorgaben des Unionsrechts und die Regelung der Gegenstands­losigkeit in § 60 Abs. 3 Z 2:

Gemäß Art. 6 Abs. 4 Rückführungs RL ist eine Rückkehrentscheidung entweder von vornherein nicht zu erlassen oder aber nachträglich „auszusetzen“ bzw. „zurückzu­nehmen“, wenn die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht vorsehen, „illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen wegen Vorliegen eines Härte­falls oder aus humanitären oder sonstigen Gründen einen eigenen Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung zu erteilen“. Weitere Ausnahmefälle, in denen eine Rückkehrentscheidung unterbleiben oder aufzuschieben sein kann, betreffen unrechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige, die Inhaber eines gültigen Aufenthalts­titels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates sind (Art. 6 Abs. 2 Rückführungs RL) oder zu deren Wiederaufnahme ein anderer Mitglied­staat aufgrund eines zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rückführungs RL geltenden bilateralen Abkommens verpflichtet ist (Art. 6 Abs. 3 leg. cit.), sowie Drittstaatsange­hörige, deren Aufenthalt wegen Ablaufs der Gültigkeitsdauer ihres Aufenthaltstitels unrechtmäßig geworden ist und die sich in einem Verfahren zur Verlängerung dieses Aufenthaltstitels oder zur Erteilung eines neuen Aufenthaltstitels befinden (Art. 6 Abs. 5 leg. cit.).

Das österreichische Recht macht von dem Umsetzungswahlrecht gemäß Art. 6 Abs. 4 Rückführungs RL insofern in differenzierter Weise Gebrauch, als es bei Vorliegen eines Abschiebungsverbotes (§§ 46a Abs. 1 Z 1 iVm 50) zunächst bloß eine Duldung vorsieht und daher von der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts (§ 31 Abs. 1a Z 4 FPG) sowie dem Fortbestand der Ausreiseverpflichtung ausgeht, also entgegen Art. 6 Abs. 4 Satz 1 Rückführungs RL nicht die sofortige Erteilung eines Aufenthaltstitels ermöglicht. Erst nach Ablauf eines Jahres ist die Überführung der Duldung in einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, also die Legalisierung des bis dahin unrechtmäßig bleibenden Aufenthaltes, möglich. Auf Grund der Erteilung dieses Aufenthaltstitels wird auch die Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 gegenstandslos. Damit wird dem Erfordernis gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 3 Rückführungs-RL, bei Erteilung eines „eigenen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung“ eine bereits bestehende Rückkehrentscheidung „zurückzu­neh­men“ oder „auszusetzen“, Rechnung getragen. Nach der Systematik der Rück­führungs RL ist es also nicht geboten, bereits aus dem Vorliegen eines bloßen Ab­schiebungsverbotes die Unzulässigkeit bzw. die Gegenstandslosigkeit der Rückkehr­entscheidung abzuleiten, solange dieses Abschiebungsverbot noch nicht zur Zuerken­nung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§ 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005) geführt hat.

Schließlich spricht für die vorgeschlagene Änderung Art. 9 Rückführungs RL. Dieser sieht in seinem Abs. 1 lit. a einen Aufschub der Abschiebung vor, „wenn diese gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen würde“, und stellt es in Abs. 2 den Mitgliedstaaten frei, einen solchen unter Berücksichtigung der „besonderen Umstände des Einzelfalls“ in ihrem nationalen Recht zu verankern; im österreichischen Recht entsprechen diesen Fällen die Duldungstatbestände gemäß § 46a Abs. 1. Art. 3 Nr. 6 Rückführungs RL wiederum definiert die Abschiebung als die „Vollstreckung der Rückkehrverpflichtung, d.h. die tatsächliche Verbringung aus dem Mitgliedstaat“, wobei die Rückkehrverpflichtung zuvor mittels Rückkehrentscheidung festgestellt oder auf­erlegt worden sein muss (Art. 8 Abs. 1 Rückführungs RL). Der Aufschub der Abschie­bung erschöpft sich also im vorübergehenden Absehen von der Vollstreckung der


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