Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll188. Sitzung / Seite 285

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Eine „Fluchtgefahr“ gemäß § 76 Abs. 3 sowie eine Fluchtgefahr im Sinne der Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder die Abschiebung wesentlich erschweren wird. In § 76 Abs. 3 Z 1 bis 9 werden in einer auf der Judikatur des VwGH basierenden demonstrativen Aufzählung jene Kriterien aufgezählt, die bei der Prüfung des Vorliegens von Fluchtgefahr zu berücksichtigen sind. Auch wenn die Verhängung von Schubhaft gemäß höchstgerichtlicher Judikatur nicht der Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten oder ihrer Sanktionierung dient, sondern der Erfül­lung eines administrativen Sicherungszweckes (vgl. VwGH 30.08.2007, 2006/21/0107; 22.11.2007, 2006/21/0189; 17.03.2009, 2007/21/0542; 20.10.2011, 2008/21/0191; 22.12.2009, 2009/21/0185 uvw. sowie VfGH 08.03.1994, G 112/93 = VfSlg. 13715), erhöht ein allfälliges strafrechtliches Fehlverhalten des Fremden in der Vergangenheit das öffentliche Interesse an der Überwachung der Ausreise (vgl. § 46 Abs. 1 Z 1) bzw. der baldigen Durchsetzung der Abschiebung und ist daher mittelbar auch für die Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Schubhaft von Bedeutung. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH (VwGH 17.03.2009, 2007/21/0542; 23.09.2010, 2009/21/0280; 22.12.2009, 2009/21/0185).

Auf eine etwaige Straffälligkeit des Fremden wird nach dem bisherigen Gesetzes­wortlaut nicht ausdrücklich abgestellt. Es ist daher angezeigt, nunmehr in Überein­stimmung mit der Rechtsprechung des VwGH explizit zu normieren, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung neben anderen Faktoren auch das bisherige strafrechtliche Fehlverhalten des Fremden zu berücksichtigen ist, insbesondere, ob sich aufgrund der Schwere der Straftaten das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößert. Klarzustellen ist, dass der vorgeschlagene Abs. 2a ein strafrechtliches Fehlverhalten des Fremden nicht zu einer notwendigen Voraussetzung für die Anordnung der Schubhaft macht. Vielmehr ergibt sich aus dem Wort „auch“ und der Bezugnahme auf ein „allfälliges“ strafrechtliches Fehlverhalten, dass bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur einem strafrechtlichen Fehlverhalten, sondern auch anderen Faktoren Bedeutung zukommen kann. Ebenso wenig ist aus Abs. 2a ein Umkehrschluss des Inhalts zu ziehen, dass über einen Fremden, dem keine strafrechtlich relevanten Verhaltens­weisen zur Last liegen, anstelle der Schubhaft nur mehr ein gelinderes Mittel ange­ordnet werden dürfte.

Zu Abs. 3 Z 8:

§ 76 Abs. 3 Z 8 stellt klar, dass die Verletzung von Meldepflichten ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Fluchtgefahr sein kann. Dies gilt nicht nur für die Verletzung der bisher ausdrücklich genannten Meldepflichten, sondern auch für die Missachtung des § 38b SPG. Es ist daher sachgerecht, diese Bestimmung in die Aufzählung aufzu­nehmen.

Zu Z 72 und 73 (§ 76 Abs. 3 Z 1a und Z 8):

Die vorgeschlagene Änderung ergänzt die Liste der für die Prüfung und Feststellung der Fluchtgefahr bzw. des Sicherungsbedarfs maßgeblichen Umstände um den Fall, dass der Fremde einen Bescheid des Bundesamtes, womit ihm die Erfüllung von Verpflichtungen gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a auferlegt wurde, nicht nachkommt. Schon bisher (Z 8) gilt der Grundsatz, dass die Verletzung von Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen bei der Prüfung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen ist. Dies muss in gleicher Weise für die Verletzung von Pflichten gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a gelten, zumal diese mit der Vorbereitung der Abschiebung und damit auch dem Sicherungszweck der Schubhaft in engem Zusammenhang steht.

 


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