Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll188. Sitzung / Seite 300

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Darüber hinaus ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen (§ 18 Abs. 3 AsylG 2005, § 13 Abs. 5 BFA-VG). Auch können etwaige besondere Bedürfnisse bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (§ 10 AsylG 2005) von der Behörde nicht berücksichtigt werden, wenn sie weder bekannt noch entsprechend nach­gewiesen wurden. Daher ist es sachgerecht und zweckmäßig, dass Asylwerber, die bereits über derartige Befunde verfügen, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht diese auch vorzulegen haben. Durch die Einschränkung „soweit“ wird klargestellt, dass ärztliche Befunde und Gutachten nur insoweit vorzulegen sind, als sie für die Beur­teilung des Vorliegens einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychi­schen Störung oder besonderer Bedürfnisse tatsächlich relevant sind. Werden daher Gutachtens- oder Befundteile, die über das Vorliegen einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung oder besonderer Bedürfnisse nichts aussa­gen, nicht vorgelegt, liegt keine Verletzung der Mitwirkungspflicht vor.

Zu Z 11 (§ 15b):

Zu Abs. 1:

Mit dem vorgeschlagenen § 15b soll die Möglichkeit geschaffen werden, einem Asyl­werber bereits während des Asylverfahrens, jedoch erst nach Zulassung zu diesem, mittels Verfahrensanordnung aufzutragen, in einem von der für die Grundversorgung zuständigen Gebietskörperschaft bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen. Dieses Quartier ist in der Verfahrensanordnung des Bundesamtes zu bezeichnen. Da es sich bei dem betroffenen Personenkreis um Asylwerber im laufenden Verfahren handelt, ist Art. 7 der Richtlinie 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, ABl. L 180 S. 96 (im Folgenden: „Aufnahme-RL“), zu berücksichtigen. Eine Beschränkung des Aufenthalts­ortes ist dementsprechend nur aus den in Art. 7 Abs. 2 Aufnahme RL genannten Gründen – dh. aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung oder der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz – zulässig. In Einklang mit der Aufnahme RL soll die Anordnung der Unter­kunftnahme daher nur bei Vorliegen der in Abs. 2 und 3 normierten Voraussetzungen ergehen. Da § 15b als unionsrechtskonform angesehen werden kann, ist davon auszugehen, dass er auch in Einklang mit Art. 2 Abs. 2 des 4. Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (4. ZPEMRK) steht.

Liegen die Tatbestandsmerkmale des § 15b vor, hat somit – nach entsprechender Ver­hältnismäßigkeitsprüfung und unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse Minderjähriger auch im Sinne der Jugendwohlfahrt – eine Anordnung der Unterkunft­nahme zu erfolgen. Dabei sind jedoch – vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK – die konkreten Umstände des Einzelfalls abzuwägen, unter anderem ist das Bestehen fami­liärer Strukturen zu berücksichtigen. Die Anordnung darf daher nur unter Berück­sichtigung und möglichster Wahrung der Familieneinheit ergehen, sofern dies nicht dem Zweck der Anordnung oder dem Wohl bzw. der körperlichen Unversehrtheit eines Familienmitgliedes – hier ist etwa an Fälle eines Betretungsverbotes nach § 38a Sicher­heitspolizeigesetz (SPG) zu denken – zuwiderlaufen würde. Verfügt der Asyl­werber zu diesem Zeitpunkt bereits über eine private Unterkunft und befindet sich somit in geordneten Wohnverhältnissen, kann dies ein Indiz dafür sein, dass eine weitere Gefährdung der öffentlichen Interessen bzw. der öffentlichen Ordnung sowie eine weitere Verfahrensverzögerung nicht (mehr) anzunehmen ist. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit kann in derart gelagerten Fällen von einer Anordnung der Unter­kunftnahme Abstand genommen oder die Anordnung in Bezug auf diese Unterkunft erlassen werden. Wesentlich ist, dass die Anordnung der Unterkunftnahme – anders als die Wohnsitzbeschränkung nach § 15c – nicht auf alle Asylwerber Anwendung


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