Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll194. Sitzung / Seite 62

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Im Zuge der Revolution 1848 hat das erste Parlament auf österreichischem Boden nur ganz wenige Meter von hier getagt, nämlich in der Winterreitschule der Hofburg. Erzherzog Johann eröffnete die erste Sitzung des sogenannten Reichstages mit folgenden Worten: „In der Berufung der Volksvertreter zur eigenen Berathung [...] ruht die sicherste Gewähr der geistigen und materiellen Entwickelung Oesterreichs.“ 

Das Parlament tagte 1848 nicht lange, aber diesem Satz können wir heute wohl gerne zustimmen. Viele von den Männern und Frauen, die 1848 für die Demokratie gekämpft haben, haben in den Wochen nach dieser ersten Sitzung bei Auseinandersetzungen ihr Leben verloren. Die Demokratie konnte durch die Gewehrkugeln aber nicht auf Dauer gestoppt werden: Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, lässt sich nicht aufhalten.

Die Demokratie musste hart erkämpft werden und die demokratischen Errungen­schaf­ten, wie Meinungsfreiheit und Wahlrecht, waren mit gewaltigem Einsatz verbunden. Daran sollten wir uns gerade heute – wenige Tage vor der Nationalratswahl am 15. Oktober – erinnern, wenn es darum geht, das Wahlrecht, eines der wichtigsten Ele­mente unserer Demokratie, auszuüben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ab heute tagen wir zumindest für drei Jahre hier im Großen Redoutensaal. Der Nationalrat zieht somit an einen geschichts­trächtigen Ort. Im Jahre 1631 wurde dieser Saal gebaut, er war als Tanzsaal konzipiert. 1699 ging er in Flammen auf. Nach seinem Wiederaufbau wurden hier große Opern aufgeführt, aber es fand hier zum Beispiel auch die Uraufführung von Beethovens Achter Symphonie statt.

In der Zweiten Republik wurde der Saal zu einem Kongresszentrum umgestaltet, das der Weltpolitik Bühne bot. So haben hier Jimmy Carter und Leonid Breschnew 1979 den historischen Salt-II-Abrüstungsvertrag unterzeichnet. 

Wie wahrscheinlich vielen von Ihnen auch noch gut in Erinnerung ist, ist der Re­dou­tensaal im November 1992 bei einem zweiten Großbrand fast komplett zerstört worden. Damals hat der Wiederaufbau dieses Saales fünf Jahre gedauert; er wurde von vielen Diskussionen – auch über die Verwendung dieses Saales – begleitet.

Im Zuge des Wiederaufbaus wurde schließlich der Maler Josef Mikl beauftragt, für die Decke und die Wände diese Gemälde, die Sie hier sehen, zu gestalten. Sein Entwurf wurde damals von der Jury als ein eindeutiges und eindrucksvolles Zeugnis des ausgehenden 20. Jahrhunderts bezeichnet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, wir erleben heute einen Anfang und wir nähern uns gleichzeitig auch einem Ende. Wir haben am 13. Juli nahezu ein­stimmig die vorzeitige Beendigung dieser Gesetzgebungsperiode beschlossen, und dies bedeutet, dass diese erste Plenarsitzung hier in der Hofburg gleichzeitig eine der letzten Sitzungen in dieser Gesetzgebungsperiode sein wird.

Wir wissen auch, dass die Diskussionen vor einer Nationalratswahl oft hitziger werden und die unterschiedlichen Positionen manchmal noch heftiger aufeinanderprallen. Es ist aber das Wesen der Demokratie, dass um die besten Lösungen manchmal auch hart gerungen werden muss. In den kommenden 25 Tagen – eben bis zur National­ratswahl – sollten wir nicht aus den Augen verlieren, dass es auch das Wesen der Demokratie ist und zur Demokratie gehört, die Meinungen anderer zu respektieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich mich bei allen bedanken, die zum Gelingen dieses Übersiedlungsprojekts beigetragen haben: Bei Ihnen allen, ich bedanke mich aber vor allem bei den rund 120 Personen, die am Umbau dieses Großen Redoutensaales beteiligt waren – egal, ob sie bei der Elektro- oder Haustechnik mitgearbeitet haben, bei der Restauration oder beim Einbau der Sitzbänke, auf denen Sie heute Platz genommen haben. Ohne den Einsatz dieser


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