Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll194. Sitzung / Seite 142

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des Jahresdurchschnittswerts des Verbraucherpreisindex 2015 im Bundesgesetzblatt kundzumachen.““

3.     „Dem § 124b wird folgende Z 327 angefügt: „327. § 135 in der Fassung des Bun­des­gesetzes BGBl. I Nr. xxx/2017 ist erstmals auf den Veranlagungszeitraum 2019 anzuwenden.“

Begründung

Die kalte Progression bezeichnet eine versteckte jährliche Steuererhöhung. Sie entsteht, weil die Einkommen zwar Jahr für Jahr steigen, die Steuerstufen aber nicht an die Inflation angepasst werden. Somit erhöhen sich der Durchschnittssteuersatz und die Steuerschuld stärker als die Inflation. D.h. die kalte Progression betrifft alle Lohnsteuerpflichtigen und, entgegen der gängigen Auffassung, nicht nur jene, die aufgrund der Inflationsabgeltung in die nächst höhere Steuerstufe rutschen. Wenn der Bruttolohn steigt, steigt auch der Durchschnittssteuersatz – jener Anteil des Einkom­mens, der an den Finanzminister geht, nimmt also zu.

Nun soll die kalte Progression durch die oben erwähnten Bestimmungen durch die jährliche Anpassung der Einkommensteuertarife ausgesetzt werden.

Durch die kalte Progression verändert sich nicht nur die Steuerbelastung, sondern auch deren Verteilung. Das kann zu einer einkommensbezogenen Steuerverteilung führen, die in dieser Form niemals vom Gesetzgeber legitimiert wurde. Das Phänomen der kalten Progression muss als Irrtum des Steuersystems aufgefasst werden. Die kalte Progression schwächt die Verteilungswirkungen des Steuersystems und führt zu einer Ausweitung der Steuerquote, die sich der demokratischen Kontrolle entzieht. Es ist deshalb wünschenswert, die kalte Progression zu beseitigen. Die kalte Progression ist zudem eine Steuererhöhung durch die Hintertür.

Bei der Verteilung der Last geht es aber nicht nur um die Verteilung zwischen den verschiedenen Einkommensklassen, sondern um die Aufteilung von erwirtschafteten Erträgen zwischen privat und öffentlich. Die zusätzlichen Mittel, welche an die öffentliche Hand gehen, sind auch aus ökonomischer Sicht problematisch – vor allem vor dem Hintergrund der hohen und immer noch steigenden Abgabenbelastung auf den Faktor Arbeit. Es mangelt dem mit der kalten Progression verbundenen Anstieg der Steuerquote an Rechtfertigung. Auch aus ökonomischer Sicht ist es nicht schlüssig, warum eine schleichende Steuererhöhung im Sinne der Bürger_innen wäre, ohne dass der Gesetzgeber darlegt, dass die Nachfrage nach öffentlichen Gütern schneller steigt als die Nachfrage nach privaten Gütern – nur eine solche Nach­frage­verschiebung würde eine Erhöhung der Steuerbelastung ökonomisch rechtfer­tigen.

D.h. eine Diskussion über eine Belastungsverteilung steht dem Gesetzgeber in jeder Form zu, diese sollte aber unabhängig von einer illegitimen, automatisierten Zusatz­belastung stattfinden. Fakt ist jedenfalls: Durch die kalte Progression kommt es zu einer Steuererhöhung, welche nicht vom Parlament beschlossen werden muss und welche somit nur selten das Ergebnis einer öffentlichen politischen Debatte ist, son­dern von Inflation anderen Faktoren abhängig ist, die nur eingeschränkt beeinflussbar sind.

Durch die immer größer werdende Steuerbelastung sinkt auch der Arbeitsanreiz, vor allem in den unteren Einkommensklassen. Denn nur wenn der Unterschied zwischen dem arbeitsfreien Einkommen und dem Nettoeinkommen groß genug ist, wird der Anreiz zu arbeiten groß genug sein.

 


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