Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll194. Sitzung / Seite 175

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Manche sagen, ich hätte meine Funktion als Behindertensprecher maßlos übertrieben, aber ich lebe mit persönlichen Assistenten, die mich unterstützen, die mir etwas vorle­sen, die Texte schreiben, die ich diktiere, und die zwischendurch auch Pflegetätig­keiten leisten oder mein Leben retten. Das funktioniert wunderbar – bis auf Abstim­mungen. Da musste nämlich die Assistentin meine Hand heben, und da gab es immer Diskussionen, ob ich das wirklich will.

Ich bin ein Hinterbänkler vom ersten Tag bis zum letzten Tag. Vorgerückt bin ich nicht, weil der Plenarsaal nicht barrierefrei war. Meine NachfolgerInnen werden es im neuen Plenarsaal leichter haben.

Durch meine Lebensexpertise, die ich ins Parlament eingebracht habe, ist doch einiges an Gesetzen gelungen, zum Beispiel dass auch BehindertenbetreuerInnen und persönliche AssistentInnen Pflegetätigkeiten durchführen dürfen. Das war vorher nicht so, und es wurde auch mit Argwohn angesehen.

Ich kann mich an eine Geschichte in der U-Bahn erinnern, als eine Frau, eine Kran­kenschwester mich und vor allem meine Assistentin angesprochen und zu ihr gesagt hat: Wissen Sie, was Sie hier tun? Damit stehen Sie mit einem Fuß im Kriminal. Und ich habe gesagt: Na ja, ich müsste ohnedies gleich abgesaugt werden. Können Sie das bitte machen? – Da war sie dann weg.

Ab und zu braucht man in der Politik auch kreative Zugänge. Das war vor allem so bei der Anerkennung der Gebärdensprache. Als ich ins Parlament kam, hat sie kaum jemand als Sprache angesehen. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Plenarsitzungen gedolmetscht werden. Ich habe mir überlegt, wie das zu machen ist, und ich habe eine Dolmetscherin, Sabine Zeller , die heute auch dolmetscht, übersetzt, angesprochen, und sie hat alle meine Reden im Plenum in die Gebärdensprache ge­dol­metscht. Ich habe einen kleinen Gebärdensprachkurs für Abgeordnete eingeführt, und ich habe die Namen von Abgeordneten übersetzen lassen. Fischer war ein schwimmender Fisch, Khol ein Kohlkopf und Pilz war ein Schwammerl, und ich habe gefragt: Ich weiß jetzt nicht, ist es ein Eierschwammerl oder ein Giftpilz? – Darauf haben die Grünen herausgerufen: Das wissen wir auch nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Heute sind wir ein bisschen klüger: Es ist ein Spaltpilz. Genau!

Was glauben Sie, was die häufigste Frage an mich war? Es war die Frage: Warum sind Sie behindert, nein, nicht behindert, sondern warum sind Sie bei der ÖVP? – Und meine Antwort kurz und bündig: Es sind die christlich-sozialen Werte, für die man immer wieder kämpfen muss, tagtäglich. (Abg. Kogler: Da wäre jetzt ein Zwischenruf fällig, wenn es nicht die Abschiedsrede wäre!)

Es geht um die Menschenwürde, die auch in der Verfassung verankert werden muss, so wie in Deutschland in Artikel 1. Sie werden jetzt sagen: Die ÖVP vertritt das Leistungsprinzip, das widerspricht dem, aber natürlich ist es so, dass die Würde jedem Menschen innewohnt, egal, welche Leistung er bringt. Meine Erfahrung ist aber auch, dass man behinderten Menschen nichts zutraut oder wenig zutraut. Das ist die andere Seite.

Deshalb bin ich für Leistung und einen Blick auf die Leistung, aber jeder muss auch entsprechend seinen Fähigkeiten gefordert und gefördert werden. Das beginnt bei der schulischen Integration, beim gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbe­hinderten Kindern.

Wir leben in einer perfekten Welt: der perfekte Lebenslauf, das perfekte Haus, das perfekte Kind zum perfekten Zeitpunkt. Die Geburt eines behinderten Kindes stört da, wird als Schadensfall gesehen. Ich kämpfe darum, dass die eugenische Indikation


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