Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 80

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lingt laut OECD zwölf Prozent derjenigen mit inländischen Eltern. Der OECD-Durch­schnitt liegt mit 23 Prozent fast doppelt so hoch.

Für jene, deren Eltern im Ausland geboren wurden, ist ein solcher Aufstieg besonders schwierig: Nur sechs Prozent der Erwachsenen mit Migrationshintergrund, die aus ei­ner Familie mit geringer Bildung kommen, erreichen einen tertiären Abschluss. Im OECD-Schnitt schaffen das 22 Prozent dieser Gruppe. „Immigranten haben es schwer, hohe Bildungsabschlüsse zu erzielen“, heißt es daher auch in dem aktuellen Österreich-Be­richt. Auch weiter unten ist der Unterschied groß: 50 Prozent der Erwachsenen mit wenig gebildeten ausländischen Eltern bleiben selbst beim Pflichtschulabschluss ste­hen. Bei denen mit österreichischen Eltern schaffen laut OECD nur 16 Prozent keinen besseren Abschluss. Beim Sprung von geringer Bildung zu Hochschulabschluss „ist Österreich wirklich schlecht“, sagt auch der liberale Bildungsexperte Feller. „Für Kinder aus bildungsfernen Haushalten muss viel mehr getan werden – und zwar sowohl für jene aus Migrantenfamilien als auch für jene ohne Migrationshintergrund.“ (http://diepres­se.com/home/bildung/schule/5088653/Bildungsaufstieg_Doch-nicht-auf-dem-letzten-Platz)

Aber nicht nur die Herkunft entscheidet über Chancen und den Zugang zu höherer Bil­dung, auch der Wohnort hat maßgeblichen Einfluss darauf, welche Bildungswege ein­geschlagen werden (können). So stehen in Wien für 53 Prozent der Schülerinnen und Schüler zwischen 10- und 14-Jahren Plätze an AHS-Unterstufen zu Verfügung. In Vor­arlberg liegt die Quote bei 24 Prozent. Die Konkurrenz um die wenigen Plätze an AHS ist entsprechend hoch. Bei Notengleichstand entscheiden andere Faktoren wie die Ent­fernung zum Wohnort oder der Umstand, dass bereits ältere Geschwister die Schule besuchen. Kein Wunder also, dass in Vorarlberg der Ruf nach einer Gemeinsamen Schule besonders laut ist. Aber auch in anderen Gebieten, wo keine durchgehende Bildung bis zur Matura möglich ist, fordern Eltern Zugang zu höherer Bildung für ihre Kinder, wie z.B. im Bezirk Hermagor.

Trotz aller nationalen und internationalen Belege, dass das österreichische Bildungs­system nicht in der Lage ist, die Potentiale der Kinder und Jugendlichen voll auszu­schöpfen, sondern dass es immer noch nur durchschnittliche Ergebnisse liefert, wäh­rend die pro Kopf-Ausgaben im Spitzenfeld liegen, gibt es keinen politischen Konsens, die Probleme an der Wurzel zu packen und das Bildungssystem grundlegend und evi­denzbasiert zu reformieren.

Bildungswissenschafter Prof. Dr. Karlheinz Gruber hält daher nicht umsonst im Stan­dard fest: „Dass das ‚Erfolgsmodell Gymnasium‘ als ‚unerwünschte Nebenwirkung‘ eine alarmierende Zahl von Schulabgängern mit unzureichenden Lese- und Rechenfer­tigkeiten produziert, ist weithin bekannt und wird alle drei Jahre durch OECD-Pisa-Re­sultate bestätigt. Dass das Schulsystem trotz Fokussierung auf Selektion am oberen (‚gymnasialen‘) Ende der schulischen Leistungsskala international relativ wenige Spit­zenleistungen hervorbringt, ist weniger bekannt, aber nicht weniger beunruhigend.“ Und weiter: „Angesichts der Lernunfähigkeit und Wirklichkeitsverweigerung der ÖVP und des Verlusts des bildungspolitischen Klassenbewusstseins der SPÖ, die das Kunststück fer­tigbringt, die Gesamtschule, seit hundert Jahren Kernstück sozialdemokratischer Bil­dungspolitik, weder im Plan A noch im Wahlprogramm zu erwähnen, hat eine Gesamt­schulreform in Österreich bis auf weiteres ,a snowball’s chance in hell‘.“ (derstan­dard.at/2000064302141/Bildungspolitische-Watschn-fuer-die-Regierung)

Obwohl also die Datenlage hinsichtlich der Leistungen der SchülerInnen und der Chan­cengerechtigkeit in Österreich mittlerweile durch nationale und internationale Erhebung sehr gut ist, kann sich die Politik nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen. Die Er­gebnisse und Empfehlungen werden unterschiedlich interpretiert und das führt zum Re­formstillstand, während auf Grund der Einsparungsbedürfnisse im Budget auch noch Kürzungen bei der Bildungsfinanzierung vorgenommen werden.

 


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